Das Leben von Jorge Semprún, 1923 in Madrid geboren, 1939 nach Paris übersiedelt (nach dem Sieg Francos im Spanischen Bürgerkrieg), ist geprägt durch die Opposition von Leben oder Schreiben. 1945 hatten die Amerikaner das Konzentrationslager Buchenwald-Weimar befreit und damit dem Häftling 44 904 die Freiheit und das Leben eröffnet.
Die ersten Versuche, sich mit seiner Zeit als Lagerinsasse literarisch zu verarbeiten, scheiterten. Deshalb entschied er sich gegen das Schreiben und für das Leben, was für ihn bedeutete: im spanischen Untergrund für die kommunistische Partei zu arbeiten. »Wenn das Schreiben mich in der grauenhaften Erinnerung an die Vergangenheit festhielt, so projizierte mich die politische Tätigkeit in die Zukunft. Das zumindest glaubte ich, bis die Zukunft, die die kommunistische Politik zu gestalten vorgab, ihren unheilvollen Charakter enthüllte: Das war nur eine Illusion der Zukunft.«
Als er in der Partei eine dogmatische Härte feststellte, wandte er sich von der Politik ab: davon berichtet Federico Sánchez verabschiedet sich (1994). Diese Abwendung bedeutete eine Hinwendung zum Schreiben: über das Konzentrationslager, über dessen Insassen, über seine Erlebnisse in Buchenwald-Weimar. So entstanden Die große Reise (1981), Was für ein schöner Sonntag (1994) und Der Tote mit meinem Namen (2002). In dem Buch Schreiben oder Leben (1997) hat er diese Opposition in all ihren Dimensionen reflektiert.
Als er im Jahre 1994 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, reflektierte er sein Verhältnis zu Deutschland: von diesem Land verlangte er eine politische soziale und literarische Auseinandersetzung mit den beiden Totalitarismen von Faschismus und Kommunismus und benannte als zentralen Gedenkplatz dafür Buchenwald, »besser gesagt, das Binom Weimar-Buchenwald, ist der historische Platz, der diese doppelte Aufgabe am besten symbolisiert: die der Trauerarbeit, um der Vergangenheit kritisch Herr zu werden; die der Ausarbeitung von Grundsätzen für eine europäische Zukunft, damit die Irrtümer der Vergangenheit vermieden werden können.«
Zur Sonderseite von Jorge Semprún »