Hermann Cohen hatte Kant provokativ als »den wahren und wirklichen Urheber des deutschen Sozialismus« bezeichnet – Franz Mehring ihm darin heftig widersprochen. Für den »Neukantianismus« treibt der Begriff des Menschen als Selbstzweck unmittelbar die kategorische Forderung hervor, den Arbeiter nicht als Ware zu verrechnen. Daß Ethik aber nicht darin aufgeht, subjektive Sollensforderungen an die geschichtliche Realität heranzutragen, wird durch die Verknüpfung des Sollens mit dem Recht...
Hermann Cohen hatte Kant provokativ als »den wahren und wirklichen Urheber des deutschen Sozialismus« bezeichnet – Franz Mehring ihm darin heftig widersprochen. Für den »Neukantianismus« treibt der Begriff des Menschen als Selbstzweck unmittelbar die kategorische Forderung hervor, den Arbeiter nicht als Ware zu verrechnen. Daß Ethik aber nicht darin aufgeht, subjektive Sollensforderungen an die geschichtliche Realität heranzutragen, wird durch die Verknüpfung des Sollens mit dem Recht plausibel gemacht. Einige Beiträge sprechen demgemäß das Verhältnis von Moral und Recht an; das Recht spielt für den Neukantianismus sowohl bei der Begründung der Ethik wie bei ihrer Umsetzung in eine Philosophie des Staates und der Gesellschaft eine zentrale Rolle. Der Band stellt aber auch den Antipoden zum ethischen Sozialismus vor: die Marxsche Geschichtstheorie und ihre platt-evolutionistische Fassung zur Zeit der Zweiten Internationale. Die Rolle der »sittlichen Ideale« scheint ausgespielt, man stellt auf die »Verelendungs-« und »Zusammenbruchstheorie« ab. Als diese empirisch widerlegt werden, ersetzt die ethische Begründung den geschichtlichen Objektivismus und bestimmt – im Verzicht auf das absolute Ziel – die Annäherung an gerechtere und freiheitlichere Verhältnisse das politische Programm.