Hans-Fallada-Preis 2024 für Grit Lemke

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12.10.2023
Beitrag zu Hans-Fallada-Preis 2024 für Grit Lemke
Grit Lemke erhält den Hans-Fallada-Preis 2024 der Stadt Neumünster und würdigt damit insbesondere die 2021 erschienenen Erzähldokumentation Kinder von Hoy.

In der Jurybegründung heißt es: »Grit Lemke weitet in ihrer dokumentarischen Erzählung Kinder von Hoy die Erzählperspektive einer einzelnen Chronistin zum vielstimmigen Kollektiv aus. Sie schafft damit eine eigensinnige wie überzeugende Textform, eine oral history, in der die ehemalige DDR-Musterstadt Hoyerswerda als Ort des Aufbruchs, als Realisierung einer sozialistischen Moderne und dazuhin als Arbeitsort und Kindheitswelt erlebbar wird. Eine hier entstehende Künstler- und Clubszene protokolliert ratlos die nach der Wiedervereinigung einsetzende politische Radikalisierung, die sich aus den bereits seit den 70er Jahren registrierten Keimzellen eines Rassismus gegenüber den in der Stadt lebenden Vertragsarbeitern entwickelt. Lemkes dokumentarische Nüchternheit lässt diese Entwicklung greifbar werden, lässt einzelne Deutungen aufblitzen, ohne diese im eigenen Sinne abschließen zu wollen. Sie rekonstruiert uns die Topographie ihrer weithin fremd gewordenen Kindheitslandschaft.«

Der Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster wird seit 1981 zweijährlich verliehen, er ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro dotiert und wird am 20. März 2024 im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung an die 21. Preisträgerin überreicht. Die Mitglieder der Jury waren: Stadtrat Carsten Hillgruber (Vorsitzender), Dr. habil. Sandra Kerschbaumer, Dr. Stefan Knüppel, Burkhard Möbius, Dr. Wolfgang Sandfuchs, Franziska Wolffheim und Frauke Tensfeldt.
Hoyerswerda – einst DDR-Musterstadt, in der morgens die Eltern in Schichtbussen davonrollten und die Kinder in einem Kollektiv aufwuchsen - erlangte durch die rassistischen Ausschreitungen 1991 traurige Berühmtheit. In ihrem dokumentarischen Roman verschränkt Grit Lemke die Stimmen der Kinder von Hoy zu einer mitreißenden Oral History und gibt einer Generation Gehör, für die Traum und Trauma dicht beieinanderlagen. Sie versammelt Gespräche mit Freunden und Familie und erzählt von ihrem eigenen Leben als Teil einer proletarischen Boheme um Gerhard Gundermann, die sich nachts im Kellerclub trifft und tagsüber malocht. Als nach der Wiedervereinigung Neonazis das erste Pogrom der Nachkriegszeit verüben, bleibt die Kulturszene tatenlos. Danach ist nichts mehr, wie es war …

Grit Lemke, geboren in Spremberg, aufgewachsen in Hoyerswerda, arbeitet als Dokumentarfilmregisseurin und Autorin. Ihr Film Gundermann Revier wurde 2020 für den Grimmepreis nominiert.

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