»Jonathan Landgrebe habe ich vor knapp zehn Jahren kennengelernt, mitten in der Krise des Verlags. Damals ging es um alles oder nichts. Marie Warburg, Magnus Enzensberger und ich als Vorsitzender waren der gerichtlich eingesetzte Aufsichtsrat in dem Rettungsinsolvenzverfahren der Verlage Suhrkamp und Insel. Ulla Unseld-Berkéwicz, zu dieser Zeit Verlegerin, und die Ströhers als verständnisvolle Geldgeber waren von großer Bedeutung. Es ist gelungen. Es ist vor allem auch deshalb gelungen, weil Jonathan Landgrebe, damals Geschäftsführer, maßgeblich das Schiff aus dem Sturm gelenkt hat. Er zeigte eine erstaunliche Begabung, mit dieser sehr schwierigen Situation umzugehen. Seine unternehmerischen Fähigkeiten kamen voll zur Geltung in diesem Gewirr der Ansprüche und Gerichtsverfahren. Uns allen war bewusst, dass es um ein Stück des kulturellen Erbes unseres Landes ging. Das Ergebnis war die Rettung, ein Neustart und seither die kräftige Weiterentwicklung eines der wenigen unabhängigen Verlage, die wir haben. Ich nahm Jonathan Landgrebe also zunächst als Krisenmanager wahr. Aber er hätte den Verlag niemals leiten können, wenn er nicht von Anfang an ein feines Gespür und einen tiefen inhaltlichen Bezug zu den Büchern dieses besonderen Verlages gehabt hätte. In den letzten Jahren habe ich mich immer wieder intensiv mit ihm ausgetauscht. Er ist zu einer der wichtigsten Verlegerpersönlichkeiten unseres Landes geworden. Sein Blick ist nicht nur von der Verantwortung für die Entwicklung des Verlages geprägt, sondern auch für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Der Verlag liefert mit seinen Autoren im Sachbuch und Wissenschaftsbereich unverzichtbare Anstöße für das geistig-intellektuelle Leben – und für die Politik. Würden Politiker dies wahmehmen, dann sähe manches Wahl- oder Koalitionsprogramm anders aus. Ich könnte jetzt die Autoren des Verlags aufzählen, die in den letzten Jahren auch mich informiert und geprägt haben. Es sind viele. Man geht immer wieder auf Entdeckungsreise. Die Analysen der Autoren des Verlags sind von immenser Bedeutung. Sie öffnen die Augen für das, was kommt. Sie spüren Entwicklungen auf, die im politischen Diskurs gar nicht oder noch nicht angekommen sind. Das, was wir heute ›Zeitenwende‹ nennen, war bei Suhrkamp schon lange vorher Thema, etwa der Blick nach Osten. Jonathan Landgrebe ist mit Leidenschaft Verleger. Er ist dicht an seinen Autoren, an der Literatur, an den Themen der Zeit. Das ist beste Suhrkamp-Tradition und folgt der Devise des alten Samuel Fischer ›Ich verlege Bücher, die die Menschen kennenlernen müssen‹. Dabei hat er das Verlagsprogramm stetig ausgebaut, mit Blick auch auf andere Länder und Kulturen. Das Programm der letzten Jahre, aber auch gerade das Jahr 2022 – mit den vielen Auszeichnungen bis hin zum Nobelpreis – bestätigen ihn. Was wird aus dem Buch? Ich bin überzeugt, dass es bleiben wird, aber dafür ist die ganze Gesellschaft verantwortlich. Wir diskutieren die Reform des öffentlichen Rundfunks. Seine Existenzberechtigung ruht unter anderem auf dem Kulturauftrag. Er wird nicht konsequent wahrgenommen. Ich würde mir auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr und auch längere Sendungen über Literatur wünschen. Wir leben in einer Zeit, in der es notwendig ist, an das Schiller-Wort zu erinnern: ›Kunst ist die Tochter der Freiheit.‹ Und diese ist weltweit in Gefahr. Verlage wie Suhrkamp, Verleger wie Landgrebe, gehören zur DNA unseres Staates, der auch ein ›Kulturstaat‹ ist. Ich gratuliere von Herzen – mit dem Bewusstsein, dass ›der Verleger des Jahres‹ nicht nachlassen wird, seine ambitionierten Ziele zu verfolgen.«