3 Fragen zu Die Wüste und ihr Samen von Jorge Barón Biza

Wie schreibt man über eine Tat, die unaussprechlich ist? In Jorge Barón Bizas Die Wüste und ihr Samen erzählt der Autor von einem unbegreiflichen Familienschicksal und der Katastrophe seines Lebens. Gewalt, Sprache und die Macht des Blicks: Frank Wegner, Übersetzer des Buchs, beantwortet Fragen zum Roman.
Wieso ist im Titel ein geologisches Bild – »Die Wüste« –, obwohl es um familiäre Gewalt geht?
Die Wüste ist mehr als nur Schauplatz; sie ist ein Symbol für die emotionale, kommunikative und moralische Leere, die sich nach der Gewalt auftut. Zwischen Mutter und Sohn klafft ein existenzielles Schweigen, die Gespräche drehen sich um medizinische Praktiken, politisches Exil, Kunst und Theorie – aber nie direkt um das Geschehene. Die Wüste steht also für eine Landschaft des Unausgesprochenen. Zugleich verweist sie auf Argentinien selbst: ein politisch traumatisiertes Land, in dem sich persönliches Leid und kollektive Geschichte untrennbar verschränken.
Geht es in Barón Bizas Roman um den Körper oder darum, wie wir ihn sehen? Oder ist beides möglicherweise untrennbar miteinander verbunden?
Der verstümmelte Körper der Mutter wird zur Projektionsfläche für den Blick – sowohl des Sohnes als auch der Gesellschaft. Die rekonstruktiven Operationen und die Unmöglichkeit, »Normalität« wiederherzustellen, machen körperliche Dimensionen sichtbar. Aber noch zentraler ist die Frage: Wie kann man etwas ansehen, das sich dem Blick entzieht? Die Wüste und ihr Samen beharrt auf dem Blick – aber nicht auf dem voyeuristischen, sondern dem ethischen Blick: Wie sehen, ohne zu verletzen? Ohne zu instrumentalisieren? Diese Spannung prägt den gesamten Roman.
Was detoniert lauter? Das private Drama oder der politischer Sprengstoff?
Die biografischen Linien verlaufen parallel zur Geschichte Argentiniens: Exil, Repression, Peronismus, intellektuelle Kreise. Der Vater – der Vater im Roman wie der reale Vater Raúl Barón Biza – war ein politischer Aktivist und Autor, seine Tat ein Akt brutaler Machtausübung in der Intimität einer Ehe. Der Roman zeigt, wie politische Gewaltstrukturen sich in familiären Machtverhältnissen spiegeln: autoritär, patriarchal, mit dem Körper der Frau als Schlachtfeld. Das Private ist hier nicht nur politisch – es ist politisiert bis zur Zerstörung.
Wieso ist im Titel ein geologisches Bild – »Die Wüste« –, obwohl es um familiäre Gewalt geht?
Die Wüste ist mehr als nur Schauplatz; sie ist ein Symbol für die emotionale, kommunikative und moralische Leere, die sich nach der Gewalt auftut. Zwischen Mutter und Sohn klafft ein existenzielles Schweigen, die Gespräche drehen sich um medizinische Praktiken, politisches Exil, Kunst und Theorie – aber nie direkt um das Geschehene. Die Wüste steht also für eine Landschaft des Unausgesprochenen. Zugleich verweist sie auf Argentinien selbst: ein politisch traumatisiertes Land, in dem sich persönliches Leid und kollektive Geschichte untrennbar verschränken.
Geht es in Barón Bizas Roman um den Körper oder darum, wie wir ihn sehen? Oder ist beides möglicherweise untrennbar miteinander verbunden?
Der verstümmelte Körper der Mutter wird zur Projektionsfläche für den Blick – sowohl des Sohnes als auch der Gesellschaft. Die rekonstruktiven Operationen und die Unmöglichkeit, »Normalität« wiederherzustellen, machen körperliche Dimensionen sichtbar. Aber noch zentraler ist die Frage: Wie kann man etwas ansehen, das sich dem Blick entzieht? Die Wüste und ihr Samen beharrt auf dem Blick – aber nicht auf dem voyeuristischen, sondern dem ethischen Blick: Wie sehen, ohne zu verletzen? Ohne zu instrumentalisieren? Diese Spannung prägt den gesamten Roman.
Was detoniert lauter? Das private Drama oder der politischer Sprengstoff?
Die biografischen Linien verlaufen parallel zur Geschichte Argentiniens: Exil, Repression, Peronismus, intellektuelle Kreise. Der Vater – der Vater im Roman wie der reale Vater Raúl Barón Biza – war ein politischer Aktivist und Autor, seine Tat ein Akt brutaler Machtausübung in der Intimität einer Ehe. Der Roman zeigt, wie politische Gewaltstrukturen sich in familiären Machtverhältnissen spiegeln: autoritär, patriarchal, mit dem Körper der Frau als Schlachtfeld. Das Private ist hier nicht nur politisch – es ist politisiert bis zur Zerstörung.
Der Roman von Jorge Barón Biza

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Beim Unterschreiben der Scheidungspapiere schüttet der Vater der Mutter Säure ins Gesicht. Der gemeinsame Sohn ist anwesend, es ist der Sommer 1964, Argentinien steht politisch kurz vor dem Kollaps, und er beginnt zu erzählen. Von den hilflosen Versuchen der ersten Minuten, den Schaden zu begrenzen, von der seltsamen Erleichterung, als er erfährt, dass sich der Vater eine Kugel in den Kopf geschossen hat, von der Reise an der Seite der Mutter nach Mailand zu einem Spezialisten, von seiner ganz persönlichen Höllenfahrt durch Bars und Bordelle. Und eben immer, immer, immer wieder vom Gesicht der Mutter, dieser sonderbaren Masse Fleisch, die auseinander, ineinander, übereinander läuft und in den sonderbarsten Farben leuchtet.
Kurz bevor er Selbstmord beging, verwandelte Jorge Barón Biza die Katastrophe im Zentrum seines Lebens in ein literarisches Meisterwerk. Dieser Roman führt in eine Sphäre, in der Linien, Konturen, Grenzen keinen Halt mehr geben und vom Menschsein nichts bleibt als ein Schwindel.
Kurz bevor er Selbstmord beging, verwandelte Jorge Barón Biza die Katastrophe im Zentrum seines Lebens in ein literarisches Meisterwerk. Dieser Roman führt in eine Sphäre, in der Linien, Konturen, Grenzen keinen Halt mehr geben und vom Menschsein nichts bleibt als ein Schwindel.
Pressestimmen
Leserstimme verfassen
»Berührend, brutal, mit chirurgischer Präzision schreibt Barón Biza über eine Lebenswunde, die niemals heilt.«
De Volkskrant
»Der Roman brennt sich ins Gedächtnis ein, emotional und körperlich erschütternd und wunderschön zugleich.«
Le Monde des Livres
»Ein einzigartiger, kraftvoller Roman, der familiäre Tragödie in eine universelle Reflexion über Körper, Trauma und Identität verwandelt.«
La Stampa
»Ein Meisterwerk der argentinischen Literatur, eine sublime Explosion, geboren aus einer unvorhersehbaren Kunst.«
El País
»Ein radikales Wunderwerk, das vom Überleben erzählt: Jorge Barón Biza schreibt mit messerscharfer Klarheit über Schmerz, Schuld und Versöhnung.«
The New Yorker
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