5 Fragen an Elisabeth Pape zu Halbe Portion

Beitrag zu 5 Fragen an Elisabeth Pape zu <i>Halbe Portion</i>
Im Mittelpunkt Deines Romans steht eine junge Frau, die zwanghaft Kalorien zählt und jeden Cent abwägt, den die Lebensmittel und ihre Zubereitung sie kosten. Warum fällt es ihr so schwer, sich von diesen Mustern zu lösen?
Sie wächst in Armut bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, die an allen Ecken und Enden spart und zudem möchte, dass das Kind ihrem Beispiel folgt, besonders dünn zu sein. Es ist also etwas, was die Protagonistin von klein auf gelernt hat. Letztendlich ist es ja so, dass es schwer ist, in so jungen Jahren Gelerntes wieder umzulernen oder zu überschreiben. Und dann wird es wohl auch so sein, dass diese ganzen Zahlen (Kalorien, Geld) weiterhin eine Funktion für die Ich-Erzählerin haben, sie glaubt, damit Kontrolle ausüben zu können, diese Zahlen geben ihr scheinbar Sicherheit.

Du stellst der Gegenwart Deiner Protagonistin Erinnerungen an ihre Kindheit gegenüber. Warum hast Du Dich für diese Form entschieden? Wovon war ihr Aufwachsen geprägt?
Ich brauchte eine Struktur, um überhaupt ins Erzählen zu kommen, um mir überhaupt zuzutrauen, einen Roman zu schreiben. Denn: WO fängt man da an? WAS erzählt man? Ich hatte mir deshalb vorgenommen, dass auf einen Moment in der Gegenwart immer ein Schlaglicht in der Vergangenheit folgt, diese beiden Kapitel irgendwie in Beziehung stehen, man dadurch versteht, dass die Probleme, die die Protagonistin als Erwachsene hat, auf dem begründet sind, was sie als Kind erlebt hat, dass sich das einschreibt. Wir alle wurden ja von dem geprägt, wie man mit uns, als wir Kinder waren, umgegangen ist. Und meine Protagonistin hat als Kind leider immer wieder gesagt bekommen, dass sie dünn sein muss, dass gespart werden muss, dass man niemandem vertrauen darf. Außerdem hatte sie nie ein Vorbild dafür, wie man eine gesunde Beziehung zu Arbeit entwickeln kann – vielleicht hadert sie deshalb auch so sehr mit ihrer Arbeit?
 

Die Autorin Elisabeth Pape isst ein Eis

Ein Preisschild in einem Supermarkt zeigt einen gesenkten Preis


Wie persönlich ist der Roman?
Natürlich ist der Roman persönlich. Da will ich gar nicht um den heißen Brei herumreden. Ich glaube, ich fänd’s auch komisch, so INTENSIV von Armut und Essstörungen zu erzählen, ohne selbst betroffen zu sein. Aber trotzdem ist es mir wichtig, dass es eine Protagonistin ist, die sich innerhalb einer Roman-Handlung bewegt, eine Ich-Erzählerin, die nicht Elisabeth Pape ist. Diese Erzählerin lässt sich vielleicht mit meinem Character auf Instagram vergleichen. Da bin ich ja auch nicht wirklich ich – es ist eine Version. Und diese Version ist ein bisschen drüber, ironischer, vor allem vermutlich IMPULSIV. Abschließend lässt es sich vielleicht so sagen: Es gibt Momente, die habe ich so erlebt, es gibt aber wieder Momente, die habe ich nicht so erlebt.

Was bedeutet der Titel Halbe Portion?
Der Titel macht vieles auf, was im Buch verhandelt wird. Eine halbe Portion ist keine ganze Portion, also rationiertes Essen, und genau das erfährt die Ich-Erzählerin in ihrer Kindheit. Größtenteils, weil die Mutter will, dass ihr Kind dünn wird. In einer Szene im Buch säbelt die Mutter die Pizza in zwei Hälften, weil sie der Meinung ist, dass eine ganze Pizza zu viel für die Tochter wäre – da haben wir ein anschauliches Bild für die halbe Portion. Was natürlich auch damit einhergeht, ist Geld. Eine halbe Portion ist immer kostengünstiger als eine ganze. Es lässt sich damit sparen. Und dann benutzt man den Ausdruck »halbe Portion« ja auch für einen schmächtigen Menschen – eine direkte Bewertung von außen, die nur den Körper sieht. Diesem Blick auf ihren Körper war die Protagonistin seit jeher ausgesetzt.
 

Ein Handyscreen, darauf zu lesen: »Worauf habe ich lust? Ehrlich. Und Geld mal wegdenken«, darunter die eingehende Nachricht aus einem Messenger: »450 Euro«

Elisabeth Pape betrachtet ein Schaufenster, in dem italienisches Gebäck steht

Foto eines Kindes, das eine angebissene Brezel in die Kamera hält
Alle Fotos © Elisabeth Pape

Als Autorin hast Du bisher vor allem Theaterstücke geschrieben, Halbe Portion ist Dein Romandebüt. Was unterscheidet das Schreiben fürs Theater vom Schreiben eines Romans?
Beim Schreiben fürs Theater habe ich das Gefühl, dass ich viel sprunghafter sein kann, es ist viel wilder, so nehme ich es zumindest wahr. Da weiß man ja auch gar nicht, wie das Endprodukt aussieht, der Text ist Material, Material, das in Körper geht und gesprochen wird – was ist überhaupt der Sprechanlass, was ist die Situation?! Das denke ich alles mit, wenn ich einen Text fürs Theater schreibe. Beim Schreiben eines Romans geht’s viel mehr darum, eine einheitliche Erzählstimme zu etablieren, die durchs ganze Buch trägt, da muss der Erzählanlass stark genug sein, da kann ich mich auch nicht hinter Regie, Schauspieler:innen, Kostümen etc. verstecken. Wenn ich über ein zweites Buch nachdenke, finde ich es gerade auch nicht so leicht, eine neue Erzählstimme zu finden, die sich von der in Halbe Portion unterscheidet. Beim Theater ist das irgendwie einfacher, vielleicht weil man da auch nicht so extrem in eine Erzählstimme reinzoomt, beim Theater sind es ja mehrere Figuren, die sich mitteilen.


Halbe Portion
eBook 18,99 €
In Halbe Portion erzählt Elisabeth Pape eine ganz persönliche Geschichte über Essstörungen, das Aufwachsen in Armut und die damit einhergehenden Zwänge. Der Roman zeigt, warum es für Betroffene so schwer ist, mit erlernten Strukturen zu brechen und einen gesunden Umgang mit Essen und Geld zu finden. Und er spürt der Frage nach, wie uns Familie trägt, aber auch erdrückt. Ein berührendes Debüt über eine unbarmherzige Krankheit und ihre tragikomischen Momente.
Sie isst wieder. Das war mal anders. Aufgewachsen in Armut, alleine mit ihrer zwanghaft dünnen Mutter, die aus der Ukraine nach Berlin migrierte, schien ihre Zukunft vorprogrammiert. Jetzt, mit Ende zwanzig, hat sie es halbwegs im Griff. Sie joggt viel, ja, zählt jede Kalorie, okay, aber sie führt ihrem Körper morgens, mittags und abends – fast – immer Nahrung zu. Auch wenn sie jeden Cent abwägt, den die Lebensmittel und ihre Zubereitung sie kosten. Nur noch ganz selten erliegt sie ihren alten Gewohnheiten, zu viel zu essen und sich anschließend zu übergeben. Es bleibt dennoch ein Fortschritt. Und dann ist da ein Date, das Hoffnung auf ein besseres Leben gibt, darauf, endgültig aus dem Teufelskreis auszubrechen. Oder doch nicht?

»In Halbe Portion wird weder beschönigt noch auf poetische Weise verdichtet ... und genau darin liegt auch seine Stärke.«
Robert Schwerdtfeger, Berliner Morgenpost
»Halbe Portion hat mich krass berührt. Der Roman tut richtig weh, aber im guten Sinne.«
Caroline Wahl
»Dieses Buch zieht einem den Stecker. Wovon und wie Elisabeth Pape erzählt, macht traurig, wütend – und glücklich. Sie findet einen beispiellos lakonisch-selbstironischen Ton, um trotz berechtigter Abgefucktheit die universelle Kraft der Hoffnung herauszustellen. Ein wundersames Stück neuer Klassenliteratur.«
Christian Baron
»In Halbe Portion wird weder beschönigt noch auf poetische Weise verdichtet ... und genau darin liegt auch seine Stärke.«
Robert Schwerdtfeger, Berliner Morgenpost
»Halbe Portion hat mich krass berührt. Der Roman tut richtig weh, aber im guten Sinne.«
Caroline Wahl
»Dieses Buch zieht einem den Stecker. Wovon und wie Elisabeth Pape erzählt, macht traurig, wütend – und glücklich. Sie findet einen beispiellos lakonisch-selbstironischen Ton, um trotz berechtigter Abgefucktheit die universelle Kraft der Hoffnung herauszustellen. Ein wundersames Stück neuer Klassenliteratur.«
Christian Baron
»In jedem Satz zeigt sich Elisabeth Papes detaillierte Beobachtung und umfangreiche, messerscharfe Recherche …«
Jury Kleist-Förderpreis 2023

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Der Preis des Harbour Front Literaturfestivals zeichnet herausragende Debütromane aus.
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Elisabeth Pape, geboren 1995, Tochter einer ukrainischen Migrantin, studierte Theater- und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und anschließend Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Sie wurde mit dem Kleist-Förderpreis 2023 ausgezeichnet und erhielt das Leonhard-Frank-Stipendium 2023, das vom Mainfranken Theater Würzburg vergeben wird. Ihre Theaterstücke wurden u. a. am Staatstheater Augsburg, Theater Koblenz und Mainfranken Theater Würzburg uraufgeführt. Halbe Portion ist ihr Romandebüt.
Elisabeth Pape, geboren 1995, Tochter einer ukrainischen Migrantin, studierte Theater- und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und...