»Suhrkamp ist ein Kulturgut, und ich möchte es mit allem, was mir möglich ist, schützen und bewahren.«

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09.10.2024
Beitrag zu »Suhrkamp ist ein Kulturgut, und ich möchte es mit allem, was mir möglich ist, schützen und bewahren.«
Die Sensation ist perfekt: Ein Hamburger Investor übernimmt Suhrkamp. Wer ist der Mann, der jetzt ein solches Wagnis eingeht? Zum ersten Mal spricht Dirk Möhrle über seinen spektakulären Coup - und darüber, wie er sich die Zukunft des Verlags vorstellt. Interview: Sandra Kegel

Sie sind 2015 in den Suhrkamp Verlag eingestiegen mit 39 Prozent der Unternehmensanteile. Wie kam es dazu?
Die Anteile besaß ursprünglich Hans Barlach. Er war damals auch Miteigentümer einer Berliner Immobilie, die über eine Insolvenz in Schwierigkeiten geriet und die ich dann von ihm erwarb. So kam ich an Herrn Barlach. Übrigens befinden wir uns hier in besagter Immobilie, dem Kunsthof Berlin in der Oranienburger Straße 27.

Ein geschichtsträchtiger Ort also gleich in mehrfacher Hinsicht.
Ich bin gerade mit dem Denkmalschutzamt im Gespräch, denn die Liegenschaft war ursprünglich die Residenz von Max Ludwig Goldberger, dem Gründer der Dresdner Bank - ein weithin geachteter Mann, von dem übrigens der Ausspruch stammt, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sei.

Geschichtsträchtig aber auch in Hinblick auf den Vorbesitzer Barlach, der einen jahrelangen Rechtsstreit gegen Suhrkamp führte, schließlich verlor und kaum ein Jahr später, 2015, starb. Es heißt, Sie seien Freunde gewesen?
Es entwickelte sich eine kleine Freundschaft, und mit seiner Witwe bin ich bis heute befreundet. Natürlich hat er auch viel von Suhrkamp erzählt, und den Streitereien. Das fand ich schon damals ziemlich schrecklich. Hans Barlach war sehr konfliktfreudig, er ist immer aufs Äußerste gegangen, hat aber seine Möglichkeiten mitunter falsch eingeschätzt. Damals hat er weder den richtigen juristischen Rat für seinen Prozess gehabt, noch hat er geahnt, wie teuer das alles für ihn würde. Deshalb brauchte er dringend Geld. So kam ich zu Suhrkamp. Ich habe ihm finanziell unter die Arme gegriffen und seine Aktien als Pfand bekommen.

Und dann?
Dann gab es auch zwischen uns einen Disput, weil ich Barlach erklärte, dass ich diesen Ärger bei Suhrkamp auf keinen Fall fortführen, sondern beenden würde. Ich hielt es für unverantwortlich, den Verlag auf diese Weise zu beschädigen. Außerdem bin ich ein konfliktscheuer Mensch, kein Streithammel. Heute werde ich 61 Jahre alt. Das ist ein Alter, in dem man über solche Dinge nachzudenken beginnt.

Oh, herzlichen Glückwunsch! Der Verlag scheint Ihnen wirklich am Herzen zu liegen, wenn Sie sogar an ihrem Geburtstag Interviews dazu geben. Aber mitunter braucht es doch Streit und Auseinandersetzung, zumal Barlach mit manchen Vorwürfen, was etwa die zweckfremde Nutzung von Verlagsvermögen anging, wohl recht hatte und Suhrkamps mutmaßliche Scheininsolvenz vor allem eine juristische List war, um ihn loszuwerden.
Da mag etwas dran gewesen sein, aber ich habe schon so viele Dinge in meinem Leben gemacht, und kein einziges davon ist deshalb gut geworden, weil es Verträge gegeben hätte, die man einhielt, Reglements befolgt worden oder irgendwelche Abfolgen kalkulierbar gewesen wären. Das war nie so. Gut geworden sind die Dinge durch anderes: durch Kreativität, durch Einsatz, Kontinuität und dadurch, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun. Das habe ich jetzt mit dem Erwerb der Suhrkamp-Anteile getan. Ich hatte damals die weiße Flagge gehisst und allen Beteiligten signalisiert, dass ich die Streitigkeiten vor Gericht so schnell wie möglich beenden möchte. Hätten wir das nicht getan, würden wir heute noch auf Verfahrensergebnisse warten. So etwas bringt nichts. Natürlich war man im Verlag skeptisch, als ich kam: Auch wenn der Barlach jetzt Möhrle heißt, hieß es, wollen wir erst mal schauen, was das für einer ist. Der Verlag hat ja nicht nur wirtschaftlich gelitten durch den Prozess, es gab auch Verletzungen auf allen Seiten. Ich habe damals gesagt: Ich bin jetzt Ihr Trittbrettfahrer, und wir lernen uns erst mal kennen. Irgendwann haben wir uns dann die Hände gereicht, und Frau Unseld-Berkéwicz hat gesagt: Vergangenheit ist Vergangenheit.

Sie haben also den Segen von der Witwe des früheren Verlegers Siegfried Unseld für die Suhrkamp-Übernahme?
Natürlich, sonst hätte sie niemals an mich verkauft.

Sie haben in Ihrem früheren Leben den familieneigenen Baumarkt Max Bahr geleitet, der zuletzt mehr als 4000 Mitarbeiter und knapp 80 Filialen im gesamten Bundesgebiet hatte.
Die Firma ist aus einem kleinen Holzhandel hervorgegangen, den mein Vater 1956 übernommen hatte. Die Erben von Max Bahr wollten damals verkaufen, weil sich unter ihnen kein Nachfolger fand. Die Familie blieb aber beteiligt und stand als Minderheitengesellschafter in all den Jahren immer zu meinem Vater. Schon damals konnte ich erleben, wie sehr alle davon profitieren, wenn man sich gegenseitig wertschätzt und vertraut.

Ihr Vater hat den kleinen Holzhandel zum Großunternehmen gemacht . . .
Er war ein genialer Geschäftsmann, ein typischer Selfmademan der jungen Bundesrepublik. Die Firma war sein Lebenswerk, und sein Erfolg eine klassische Wirtschaftswundergeschichte. Als ich mich näher mit Suhrkamp beschäftigte, entdeckte ich einige Ähnlichkeiten mit Siegfried Unseld, der ungefähr zur gleichen Zeit lebte wie mein Vater. Es gibt Parallelen darin, wie diese erfolgreichen Unternehmer dachten. Wenn etwa Unseld mit spitzem Bleistift und Sorgenfalten auf klein kariertem Papier rechnete, ob er sich das neu errichtete Verlagshaus in der Frankfurter Lindenstraße überhaupt leisten könne, das hat mich sehr an meinen Vater erinnert.

Gibt es wirklich Parallelen zwischen einem Verlag und einem Baumarkt?
Mein Sohn machte neulich den kleinen Scherz: Hauptsache Holz (lacht).

Eine andere Parallele gibt es auch: die Insolvenz. Die Geschichte Ihres Familienunternehmens nahm ein trauriges Ende, als es an den Konkurrenten Praktiker verkauft wurde, der dann im Zuge seiner Insolvenz Max Bahr nach 136 Jahren Firmengeschichte mit in den Abgrund riss. Sie waren gegen den Verkauf und wollten die Firma später dann aus der Insolvenz zurückkaufen. Es gelang Ihnen nicht.
Das war ganz schlimm. Es hat damals ein großes Zerwürfnis gegeben in meiner Familie. In diesem Zusammenhang bin ich, wenn Sie so wollen, unehrenhaft entlassen worden, aus der Firma, aber auch aus der Familie. Meine Eltern haben ihr gesamtes Vermögen und alle Anteile zu Lebzeiten an meine Geschwister übertragen. Für mich gab es bei ihrem Tod auch keinen Pflichtteil. Sie hatten mich praktisch enterbt.

Dabei hatten Sie das Risiko für das Unternehmen als dessen Geschäftsführer vorausgesehen und versucht, Ihren Vater von dem Verkauf abzuhalten.
Das Jahr, in dem sie mich hinausgeschmissen haben, war das erfolgreichste Jahr in der Firmengeschichte von Max Bahr. Aber in Familienbetrieben gibt es diese untergründigen Dynamiken. Meine Geschwister waren unglücklich, dass ich, der Jüngste, die Leitung innehatte. Sie waren verletzt, und darunter litt wiederum mein Vater, dieser Selfmademan, ein großartiger Mensch, der mir in vielem bis heute ein Vorbild ist, aber er konnte es einfach nicht ertragen, dass, wenn er morgens in die Firma kam, die Leute ihn fragten: Wo ist Dirk?

Familienstreit, auch das eine Parallele zu den Unselds ...
Tatsächlich! Dabei empfinde ich es rückblickend als Ritterschlag, dass meine Eltern mich enterbt haben. Damals, ich bin Baujahr 1963, war ich vierzig und jung genug, um mein Leben noch einmal neu auszurichten. Das habe ich getan. Ich rückte mein Engagement im Immobilienmarkt ins Zentrum. Begonnen hatte ich damit schon 1994. Mit Hamburger Freunden zusammen habe ich damals in den Berliner Immobilienmarkt investiert, und wir hatten einen klugen Freund, der sagte: Ich bin dabei, aber nur, wenn wir herausfinden, was das künftige Eppendorf der neuen Bundesländer ist.

Und?
Das war Prenzlauer Berg. Dort haben wir dann sukzessive investiert. Damals wurden ja händeringend Investoren gesucht, die überhaupt bereit waren, Geld in die maroden Häuser zu stecken. Und vor zwanzig Jahren sagte ich mir dann: Das mache ich jetzt mit voller Kraft. Ich hatte schon drei Kinder, heute habe ich fünf, und da spürt man als Vater: Du hast jetzt Verantwortung, das darf nicht schiefgehen. Es ging glücklicherweise gut. So bin ich zu Berlin gekommen. Und deshalb ist Berlin mein Lebensglück. Wenn sich mir diese Möglichkeit nicht eröffnet hätte, ich weiß nicht, wo ich heute stünde.

Wie gehen Sie als Investor üblicherweise vor?
Ich habe nie gekauft, um ein paar Jahre später wieder mit Gewinn zu verkaufen. Ich habe tatsächlich noch nie in meinem Leben etwas verkauft. Ich behalte die Dinge. Ich bin Sammler. Wenn ich ein Haus so zurechtgemacht habe, dass alles passt, warum sollte ich es dann wieder loswerden? Inzwischen sind die Freunde von damals aus unseren Investments ausgeschieden, ich bin der Letzte, der übrig blieb. Was in Ordnung ist, denn ich bin jemand, der Dinge gern allein macht. Nach den Erfahrungen in meiner Herkunftsfamilie mag ich weder Streitigkeiten noch Abhängigkeiten von anderen.

Mancherorts spricht man von feindlicher Übernahme Suhrkamps durch Sie. Das klingt nicht so friedlich.
Da fällt mir eine Zeile aus einem Gedicht von Bertolt Brecht ein: »Ach, zum Ziele kam, was nie gestartet«. Das trifft es ziemlich genau. Ich hatte nie das Ziel, Suhrkamp als Alleininhaber zu übernehmen. Die Sterne standen gerade günstig, es hat sich einfach alles zum Besten gefügt. Von feindlicher Übernahme kann keine Rede sein, vielmehr von freundschaftlicher Übernahme. Sowohl mit Frau Unseld-Berkéwicz als auch mit der Miteigentümerfamilie Ströher und Herrn Landgrebe, der mit fünf Prozent am Verlag beteiligt war, bin ich in partnerschaftlichem Austausch. Wir haben das lange besprochen, es gibt keinen Disput. Alle Beteiligten haben sich gemeinsam zu der Transaktion entschlossen. Wenn Journalisten hier eine Story wittern, verstehe ich das, schließlich geht es hier ja um etwas. Aber wer uns einen Skandal andichten will, den muss ich enttäuschen. Es gibt ihn nicht. Wir haben das in einem langfristigen Prozess so entschieden, und wir glauben, dass jetzt die richtige Zeit ist für diesen Schritt. Mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Verlags hat das nichts zu tun. Ich finde es ja putzig, wenn eine Zeitung aus dem Süddeutschen es als großes Drama hinstellt, dass 2022 mal 270.000 Euro Miese verbucht wurden. Wenn das die Not des Verlages beziffern sollte, würde ich sagen: Wir haben wirklich gar kein Problem.

Aber Sie wissen schon, dass die Zeiten gerade turbulent sind auf dem Buchmarkt, auch für Suhrkamp. Stichwort Strukturwandel.
Das weiß ich. Und die Resonanz ist entsprechend. Freunde und Bekannte kommen auf mich zu und sagen: Mensch, Dirk, da hast du dir ja was vorgenommen! Wie kannst du dir so sicher sein, dass du das hinkriegst? Es gibt Bedenken allerorts, sicher, auch bei denjenigen, die mir ihre Aktien übertragen, und auch bei mir. Heute kann ich Ihnen nicht versprechen, dass alles gut wird. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich alles dafür tun werde, dass es gut wird.

Woher nehmen Sie die Zuversicht?
Das hört sich vielleicht etwas überheblich an, aber mir ist schon das eine oder andere im Leben gelungen. Ich habe nirgendwo Ruinen hinterlassen. Und es geht mir wirtschaftlich gut, ich kann es aushalten, wenn der Verlag ein paar Jahre lang 270.000 Euro jährlichen Verlust macht. Ich habe auch nicht vor, schnell hohe Erträge einzufahren. Als Hamburger weiß ich: Ein großes Schiff fährt langsam aus dem Hafen. Suhrkamp ist ein Kulturgut, und ich möchte es mit allem, was mir möglich ist, schützen und bewahren. Der Verlag ist aber kein Museum, sondern quicklebendig, und er soll weiterleben. Die Vergangenheit ist wichtig, der Verlag lebt ja auch von dieser Vergangenheit. Aber irgendwann laufen die Rechte aus, für Hesse, für Brecht und viele andere Autoren, das heißt, es muss auch darum gehen, diesen Traditionsverlag in die Zukunft zu führen.

Wie wollen Sie das angehen, als Branchenfremder?
Dafür habe ich mit Jonathan Landgrebe einen Mann an der Verlagsspitze, der sehr engagiert ist, dem Verlag neue Impulse zu geben - bei aller Klarheit darüber, dass wir nichts beschädigen wollen vom kostbaren Porzellan in den Schränken des Verlags.

Sie halten also an Jonathan Landgrebe als Verleger fest?
Ja. Herr Landgrebe hat bei Suhrkamp und mit mir eine große Zukunft. Das versichere ich Ihnen. Wir sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Wir sind ja beide Hamburger, das verbindet. Wir verstehen uns, und wir werden das zusammen machen, ebenso wie mit Tanja Postpischil, die in der Geschäftsleitung des Verlags ist.

Aber da Sie dem Vorstand, also Herrn Landgrebe, im Geschäftsjahr 2021 die Entlastung verweigert haben, kommen da doch ein paar Zweifel auf!
Damals war ich von der Strategie nicht überzeugt, und das habe ich entsprechend formuliert. Es war keine große Sache, und hätte ich geahnt, dass das einmal in den Medien herumgeistern würde und Herrn Landgrebe auf die Füße fällt, hätte ich es sicher bleiben lassen. Doch es ist schon so: Wenn mir etwas nicht gefällt, dann spreche ich das an, so bin ich nun einmal.

Die Darmstädter Familie Ströher, die 2014 bei Suhrkamp eingestiegen ist, verlässt nun nach zehn Jahren den Verlag schon wieder. Warum?
Wäre die Familie Ströher nicht gewesen, würde der Verlag heute nicht so dastehen. Es war eine schwierige Zeit, als sie dazustießen. Sie haben damals unter anderem die Autorenhonorare zwischenfinanziert, weil der Verlag juristisch gehemmt war. Das haben sie gut gemacht.

Wie viel haben Sie denn gezahlt für die nun erworbenen Anteile in Höhe von 61 Prozent? Sie waren ja mit 39 Prozent schon größter Aktionär, hatten aber wegen des Pool-Vertrags zwischen der Unseld Familienstiftung und der Familie Ströher, die zusammen die Mehrheit der Aktien hielten, keine Macht.
Nur so viel: Sie können sicher sein, dass ich die Summe stemmen kann. Abgesehen davon, dass Suhrkamp als Verlag natürlich unbezahlbar ist.

Wie wollen Sie der Belegschaft klarmachen, dass Sie nicht heuschreckenartig in den Verlag reingehen, sondern Ihr Investment langfristig ist?
Ich habe fast Hemmungen, das zu sagen, weil ich Berichte über andere Unternehmen kenne, in denen genau das behauptet wurde und es dann drei Monate später zum Verkauf kam. Deshalb überlege ich gerade, wie ich Ihnen das so erzählen kann, dass Sie mir glauben. Also: Es kommt für mich überhaupt nicht infrage, Suhrkamp wieder zu verkaufen. Warum auch? Ich möchte den Verlag behalten und fortentwickeln. Um das zu belegen, lasse ich eine kleine Katze aus dem Sack: Mein Begrüßungsgeschenk für den Verlag ist eine Einlage, ich investiere eigenes Geld in den Verlag, und zwar sofort, um ihn zu kapitalisieren. Ich möchte, dass dieses Haus selbstbewusst in die Zukunft geht, dafür möchte ich einen Impuls geben.

Das heißt, wären Sie früher eingestiegen, hätte Suhrkamp die Unseld-Villa in Frankfurt gar nicht verkaufen müssen, um an Geld zu kommen? Die Liegenschaft, im Besitz des Verlags, wurde unlängst für circa 4 Millionen Euro veräußert.
Sie musste nicht verkauft werden, aber wir haben es trotzdem gemacht. Warum? Zugegeben, der Zeitpunkt war unglücklich, kurz vor dem Gedenken an Unselds hundertsten Geburtstag. Beschlossene Sache aber war der Verkauf schon vor einiger Zeit. Wir haben das lange diskutiert. Und ich meine, dass der Verlag sein Geld anders anlegen sollte als in eine vor sich hin bröckelnde Villa, nämlich in Autorinnen und Autoren. Ich bin mir sicher, dass Siegfried Unseld das genauso gesehen hätte. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er den Leuten, die jetzt um die Suhrkamp-Kultur fürchten, entgegnet hätte: Liebe Freunde, es ist nie meine Vorstellung gewesen, eine Ruine für die Welt zu bewahren, wir denken doch nach vorn. Natürlich war der Kritikerempfang während der Buchmesse in der Unseld-Villa eine ganz besondere Veranstaltung mit außergewöhnlichen Leuten, man stand da sozusagen im Zigarettenrauch von Legenden. Aber nun lassen Sie uns mal nach vorn gucken.

Wenn Sie schon sagen, Suhrkamp investiere in Autoren, nicht in Häuser, warum dann 2022 der teure Kauf des Berliner Verlagssitzes. War das denn die richtige Entscheidung, sich derart zu verschulden?
Das war die absolut richtige Entscheidung, das Haus in der Torstraße zu kaufen. Es ist gut, dass Suhrkamp wieder ein eigenes Haus hat, wie damals in der Frankfurter Lindenstraße. Es ist das Zuhause des Verlags. Und wenn einem etwas gehört, fühlt es sich anders an, als wenn man Mieter ist und zum Spielball von Vermietern wird. Das Haus ist auch keine finanzielle Belastung, sondern für den Verlag schon heute eine gewaltige Entlastung. Durch die Inflation wären die Mieten kräftig gestiegen, so aber stieg der Sachwert, während die Kredite entwertet wurden. Der Hauskauf hat sich schon heute gelohnt.

Sie wurden vor Jahren in einem Porträt mit der Aussage zitiert: »Verlag, das kann ich nicht.«
Dafür habe ich ja Jonathan Landgrebe. Aber es ist schon so. Ich bin Unternehmer, ich bin Kaufmann, ein traditioneller Hamburger Kaufmann. Da bin ich ehrlich. Das originäre Verlagsgeschäft verstehe ich nicht. Ich lese die Bücher, sehe, was funktioniert und was nicht, aber Voraussagen könnte ich niemals treffen.

Was lesen Sie gerade?
Maren Kames’ Hasenprosa – mit großem Vergnügen. Ich lese das und denke mir: Was die Autorin da macht, das ist so schillernd und eigenwillig. Ich mag es, wenn Menschen Dinge besonders gut können. Das macht mich fast ein bisschen neidisch. Aber wenn mich jemand vorher gefragt hätte, ob das für den Verlag das Richtige wäre, hätte ich das nicht zu sagen vermocht. Ich bin froh, dass ich das auch nicht muss. Bei Steffen Maus Buch Ungleich vereint hätte ich es vielleicht noch eher prophezeien können – einfach weil das Ost-West-Thema so virulent ist – während es mich wiederum erstaunt, dass Frank-Walter Steinmeier mit seiner Schrift Wir über das Grundgesetz so schlecht wegkam. Da hatte ich gedacht: Das wird garantiert ein Bestseller. Ich finde, der Bundespräsident hat uns damit ein großes Geschenk gemacht.

Sie kommen ursprünglich aus der Gartencenter-Branche, wir sprachen eingangs darüber. Welche Erkenntnisse von dort bringen Sie mit zu Suhrkamp?
Einen ebenso schönen wie richtigen Satz: »Nur ein Gärtner weiß, was ihm blüht.«
 

Im Original erschienen unter der Überschrift: »Ich habe noch nie in meinem Leben etwas verkauft«. Interview von Sandra Kegel, veröffentlicht am 08.10.2024
© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Alle Rechte vorbehalten. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv


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Das Interview erschien zunächst bei ZEIT ONLINE, geführt haben es Thomas E. Schmidt und Adam Soboczynski.
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Presseinformation und Statements zur aktuellen Berichterstattung über die Eigentumsverhältnisse der Suhrkamp Verlag AG
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