In Deutschlands Krankenhäusern ist die Aufenthaltsdauer der Patienten in den letzten zwei Jahrzehnten um die Hälfte verkürzt. Über 50 000 Stellen im Pflegebereich wurden gestrichen. Kranke Menschen werden immer häufiger vorzeitig entlassen, nur um mit einem anderen Leiden gleich wieder aufgenommen zu werden. Die Anzahl gut bezahlter Operationen nimmt stetig zu, während Abteilungen, die sich nicht rentieren, geschlossen werden, unabhängig vom Bedarf. In...
In Deutschlands Krankenhäusern ist die Aufenthaltsdauer der Patienten in den letzten zwei Jahrzehnten um die Hälfte verkürzt. Über 50 000 Stellen im Pflegebereich wurden gestrichen. Kranke Menschen werden immer häufiger vorzeitig entlassen, nur um mit einem anderen Leiden gleich wieder aufgenommen zu werden. Die Anzahl gut bezahlter Operationen nimmt stetig zu, während Abteilungen, die sich nicht rentieren, geschlossen werden, unabhängig vom Bedarf. In keinem Land der Welt sind mehr Krankenhausbetten im Besitz privater Klinikkonzerne. Das Gesundheitswesen entwickelt sich zu einer Gesundheitswirtschaft, und in keinem Wirtschaftszweig sind derzeit höhere Renditen zu erwirtschaften. Was steckt dahinter?
Dieses Buch ist ein Plädoyer für den Weg zu einer Heilkunst, die den Patienten als Menschen und nicht als »Kunden« im Blick hat, die Gesundheit nicht als Ware verkauft und die medizinische Versorgung als Sorge um den Kranken und nicht als Dienstleistung versteht.
* Zur Notwendigkeit ökonomischen Denkens in der Medizin
* Von der dienenden zur bestimmenden Ökonomie
**III. Praktische Auswirkungen einer ökonomisierten Medizin**
* Aufnahme: Kategorisierung der Patienten nach ökonomischen Kriterien
* Diagnostik: Parallelität von Über- und Unterdiagnostik
* Therapie: Fragmentierung und Ziffer im Kopf
* Entlassung: Kein sanftes Hinausbegleiten
* Patientenkontakt: Handwerklich-technische Qualität vor Beziehungsqualität
* Strategie der Simplifizierung
* Wettbewerbsfähigkeit als neues Qualitätskriterium
* Entsolidarisierung von den Schwächsten
* Subtile Disziplinierung der Ärzte durch die Kostenträger
* Innere Umprogrammierung der Ärzte
* Sinnentleerung ärztlicher Tätigkeit
**IV. Theoretische Implikationen einer ökonomisierten Medizin**
* Abschaffung der Geduld und Abwertung der Sorgfalt
* Verlust der Rücksicht
* Vernachlässigung der Ausbildung
* Abschaffung des ärztlichen Ermessensspielraumes
* Einfassen des Patienten in standardisierte Module
* Austauschbarkeit des Arztes
* Vorstellung herstellbarer Beziehungen
* Abschaffung der Kreativität
* Legitimierung der Gleichgültigkeit
* Entlegitimierung des Nichtmessbaren
* Machen statt Versehen
* Verlust der Ganzheitlichkeit
* Abwertung der ärztlichen Qualität
* Etablierung einer Misstrauenskultur
* Moralische Dissonanz und Verlust der Freude
* Individualisierung struktureller Defizite
* Kalküle des Eigennutzes statt Dasein für andere
* Verlust des Vertrauens in die Medizin
**V. Vom Patienten zum Kunden**
* Unzulänglichkeit des Kundenbegriffs für die Medizin
* Ignorierung der Angewiesenheit des kranken Menschen
* Von der Leidenslinderung zur Weckung neuer Bedürfnisse
* Werbung für ärztliche Hilfe?
* »Nichts ist unmöglich«– Kultivierung der Machbarkeit
**VI. Vom Vertrauensverhältnis zum Vertragsverhältnis**
* Der Vertrag als das Vorgefertigte
* Unpersönlichkeit des Vertrages
* Egologik des Vertrages
* Verlust des sozialen Bandes durch den Vertrag
* Zur Notwendigkeit eines sozialen Bandes zwischen Arzt und Patient
* Das Arzt-Patient-Verhältnis geht nicht im Rechtsverhältnis auf
**VII. Problemfeld Bonuszahlungen: Belohnung für das Falsche**
* Bonusverträge als Entwertung ärztlicher Hilfe
* Einkalkulierte Korrumpierbarkeit der Ärzte
* Profanierung des Arztberufs
* Die medizinische Indikation als Kernstück ärztlicher Ethik
* Helfen aus innerer Motivation und nicht aufgrund äußerer Gratifikation
* Monetäre Unbeeinflussbarkeit als zentraler Wert
**VIII. »Lohnt es sich zu helfen?« – Der Irrweg in die Priorisierung**
* Notwendigkeit setzt eine Festlegung des Behandlungsziels voraus
* Notwendigkeit setzt Zweckmäßigkeit voraus
* Helfen unter Vorbehalt
* Unersetzbarkeit ärztlicher Beurteilungserfahrung
* Kosten-Nutzen-Analysen benachteiligen die Schwächsten
* Verschwendung durch eine sprachlose naturwissenschaftliche Medizin
**IX. Gesundheit als Pflicht? Krankheit als Schuld?**
* Der moderne Patient als »Nutzer«
* Der Mensch als Gesundheitsmanager seiner selbst?
* Eigenverantwortung erfordert strukturelle Voraussetzungen
* Individualisierung der Gesundheitsrisiken
* Kranke und alte Menschen als Verlierer
* Eigenverantwortung braucht gemeinsame Verantwortung
* Eigenverantwortung braucht Vertrauen in das soziale Band
* Der kranke Mensch oder: Das Recht, schwach zu sein
* Gesundheitskompetenz ist mehr Haltung als Wissen
* Nicht Eigenverantwortung statt Sorge, sondern Eigenverantwortung durch Sorge
**X. Für eine Aufwertung der Beziehungsmedizin**
* Notwendige moralische Anreize für eine Beziehungsmedizin
* Ärzten muss ermöglicht werden, medizinisch zu entscheiden und nicht ökonomisch
* Medizin braucht Anreize für eine ganzheitliche Betreuung
* Krankenkassen: Sprechender Dialog mit den Ärzten statt formalisierter Kontrolle
* Dialog zwischen Medizin und Ökonomie
* Ermöglichung von Zeit, Aufmerksamkeit, Gespräch und Wertschätzung
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Personen für Geschäftsmodell Gesundheit
Giovanni Maio
Giovanni Maio ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und zugleich Direktor eines eigenen Instituts. Als ausgebildeter Philosoph und Arzt mit langjähriger klinischer Erfahrung ist er ein gefragtes Mitglied zahlreicher Ethikkommissionen, in denen er sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesärztekammer und die Deutsche Bischofskonferenz beraten hat und weiterhin berät.
Giovanni Maio ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und zugleich Direktor eines eigenen...
Bernd Hontschik
Bernd Hontschik, geboren 1952 in Graz, ist Chirurg in Frankfurt am Main. Abitur und Medizinstudium in Frankfurt am Main. 1978 Beginn der chirurgischen Ausbildung, 1987 Promotion über die Theorie und Praxis der Appendektomie, die als Buch veröffentlicht und 1989 mit dem Roemer-Preis des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin ausgezeichnet wurde. Bis 1991 Oberarzt an der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Frankfurt/Main-Höchst, bis 2015 in der Frankfurter Innenstadt niedergelassen in einer chirurgischen Praxis und ambulantem OP-Zentrum.
Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Bernd Hontschik war u.a. Vorstandsmitglied der Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin, ist Herausgeber der Taschenbuchreihe...
Bernd Hontschik, geboren 1952 in Graz, ist Chirurg in Frankfurt am Main. Abitur und Medizinstudium in Frankfurt am Main. 1978 Beginn der...

