Studentenausweis der Kirchlichen Hochschule Berlin
Andreas Pflüger: Kälter
Ein spektakulärer Agententhriller rund um den Mauerfall

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In einem spektakulären Agententhriller schickt Pflüger seine Heldin am Ende des Kalten Krieges als Racheengel um die halbe Welt. Sie tritt gegen ein Geheimdienstimperium an, das den Mann beschützt, der ihr Leben zerstörte. Und es wird sich zeigen, wer kälter ist: ihr Todfeind oder sie.
»Dein Grab wird außer mir keiner kennen.« Fragen von Alf Mayer an Andreas Pflüger zu Kälter
Der Autor über sein neues Buch, politische Zeitfragen, seine unkonventionelle Heldin und akribische Recherche.»Dein Grab wird außer mir keiner kennen.« Fragen von Alf Mayer an Andreas Pflüger zu Kälter
Der Autor über sein neues Buch, politische Zeitfragen, seine unkonventionelle Heldin und akribische Recherche.Andreas Pflüger hat die Entstehung seines neuen Thrillers Kälter mit Notizen und Tagebucheinträgen begleitet
Ich habe als Agnostiker Theologie studiert, um Bildung zu erwerben. An dem Tag, an dem ich das Studium abbrach, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Dennoch spielt das Thema Glaube in allen meinen Romanen eine große Rolle. Meine Heldinnen sind Suchende. Und auch wenn sie nicht glauben: Das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn haben sie verinnerlicht. In Kälter prophezeit Luzy ihrer Nemesis das Ende, das Jesaja in der Bibel dem Herrscher über Babylon versprach: Du aber bist hingeworfen ohne Grab, wie ekliger Abfall. Bedeckt mit Erschlagenen, vom Schwert Durchbohrten, wie zertretenes Aas.
Die Aufnahme entstand im Februar 1990, bei einer Kneipenrecherche zu meinem ersten Tatort. Kurz danach bot ich dem SFB ein Drehbuch zu einem Film über die Nacht des Mauerfalls an. Es wurde mit der Begründung abgelehnt, dass »alles noch viel zu frisch« sei und die Zuschauer jetzt erst mal »Abstand von dem Ereignis« nehmen sollten. Außerdem könne das niemand bezahlen. »Allein die Statisten!« Ich habe früh gelernt, dass man in Deutschland vor allem Filme finanziert bekommt, in denen Menschen am Küchentisch sitzen und über ihre Probleme reden. Das war einer der Gründe, warum ich nur noch Romane schreiben wollte. In Kälter schildere ich die Nacht des Mauerfalls in einer Opulenz, die filmisch hierzulande unmöglich wäre. Vielleicht ist Kopfkino auch das schönste Kino.
Auf der Jaffa Street in Jerusalem spielte ein Chasside Jimmy Hendrix. Ich hörte eine Weile zu, dann kam ich ins Gespräch mit ihm und fragte, ob der Talmud so etwas erlaube. Er meinte, vorher seinen Rabbi befragt und die Antwort erhalten zu haben, Hendrix gehe immer. Spätestens da war mir klar, dass die Absurditäten des Glaubens in meinem Roman zu ihrem Recht kommen würden.
Tagebuch, 12. Mai 2023
Heute sind wir von Jerusalem nach Tel-Aviv umgezogen. Modernes Hotel an der Tayelet, direkt am Strand. Es ist Schabbat. Als wir vom dritten Stock aus mit dem Lift zum Abendessen hinunter wollten, stellten wir fest, dass sich keine Knöpfe drücken ließen und der Fahrstuhl erst einmal nach oben fuhr. Er hielt auf jeder Etage fünfzehn Sekunden, Tür auf, Tür zu. Im zwölften Geschoss angelangt, ging es im gleichen Modus nach unten, sodass wir eine Ewigkeit bis zum Restaurant brauchten. Es war ein Schabbat-Fahrstuhl für gläubige Gäste, denen nach dem Talmud an ihrem heiligen Tag untersagt ist, einen elektrischen Stromkreis zu schließen. Innerhalb einer Sekunde hatte ich die Idee zu der vermutlich atemberaubendsten Action-Sequenz des Romans. Als ich meiner Frau davon erzählte, erklärte sie mich für verrückt. Ja, ist es. Ich kann es kaum erwarten, das Kapitel zu schreiben.
Ich liebe Wüsten. Sie finden sich in jedem meiner Romane – doch noch nie so episch wie in diesem. Zwei Wochen lang waren meine Frau und ich nur in der Negev, unvergesslich, ein Rausch. Luzy sah wilde Kamele über schroffe Hänge klettern und wunderte sich, wovon sie lebten, in dieser Welt aus Staub und Wind und Hitze, von der Ewigkeit zu einer riesigen Installation gebrannt.
Als ich zur Recherche auf Amrum war, herrschte perfektes Ferienwetter, ganz anders als im Roman, wo die Insel von einem Jahrhundertsturm heimgesucht wird und vom Festland abgeschnitten ist. An dem Tag, an dem dieses Foto entstand, war ich im Seezeichenhafen, wo die Eiswette vor Anker liegt, der Seenotkreuzer, der im Prolog von Kälter einen großen Auftritt hat. Das Boot ist so konstruiert, dass es unsinkbar ist, sogar einen Überschlag auf See übersteht. Ich war versucht, das einzubauen, spektakulär wäre es allemal gewesen. Aber an spektakulären Momenten hat der Showdown des Prologs keinen Mangel, also habe ich darauf verzichtet. Manchmal ist weniger mehr.
Auf dem St.-Clemens-Friedhof von Nebel/Amrum gibt es die »Sprechenden Grabsteine«, einer der Lieblingsorte von Luzy. Ein Satz auf diesem Stein, der an den im 18. Jahrhundert gestorbenen Reeder Oluf Jensen erinnert, zieht sich durch den Roman: Der Hoffnung ward ich zwar beraubt, und gleichwohl hofft ich doch. Man findet den Satz in der achten und neunten Zeile. Eigentlich lautet er: DIE Hoffnung ward MIR zwar beraubt, und gleichwohl hofft ich doch. Aber das hätte mir mein Lektor um die Ohren gehauen.
Tagebuch, 4 Mai 2024
Hatte auf Amrum heute meinen Recherchetermin bei der örtlichen Polizei. Das Häuschen erinnert an ein Feriendomizil; draußen eine Plakette: Sprechstunden Montags und Dienstags, 11-13 Uhr. Die beiden Polizisten, mit denen ich sprach, erklärten mir, dass sie sich mit Föhr wochenweise einen Radarwagen teilen, viel mehr gibt es auf der Insel nicht zu tun. Für mich ist das perfekt. Durch diese scheinbare Idylle wird der Einbruch des Grauens, den ich erzählen will, umso stärker wirken. Zwar darf ich aus Luzy und ihrem Partner keine Comedy machen. Aber wie immer muss ich das Komische im Schrecklichen suchen.
Es war früh klar, dass Luzy Morgenroth in Wien im Hotel Imperial wohnen würde, einer der teuersten Unterkünfte der Welt. Darum mussten meine Frau und ich, als ich zur Recherche hinfuhr, auch dort absteigen. Merke: Romanfiguren gehen bisweilen ins Geld. Im nachhinein besehen, hätte ich das Haus vermutlich ebenso gut beschreiben können, wenn ich nicht für fünf Nächte dort gewesen wäre. Aber dann hätte ich nicht gewusst, dass jeden Tag eine Mini-Imperialtorte auf den frisch gemachten Betten liegt. Ein Roman besteht aus einer Million kleiner Beobachtungen. Also war es das wert.
Als wir bei meiner Wien-Recherche durch den jüdischen Teil des Zentralfriedhofs gingen, war dort ein Mann, der Eichhörnchen fütterte. »Hier ist Wien am wienerischsten«, hat er geschwärmt. »Diese himmlische Ruhe! Gucken’s, wie das alles verfällt und vermodert; die Grabsteine fallen um, weil sich niemand mehr kümmert. So eine Idylle haben’s nirgends sonst.« Das plapperte er einfach so dahin, in Wien, wo fünfundsechzigtausend Juden deportiert wurden. Ich war sprachlos. Seine Worte finden sich im Roman. Dort heißt es auch: Stumm schauen sie auf die Gräberlandschaft, eine Stadt für die Toten, in diesem Licht wie von Fritz Lang.
Tagebuch, 25. Juni 2024
Mittags waren wir im Sacher essen, weil ich die zentrale Wiener Actionsequenz dort spielen lassen wollte. Ich hatte sie schon minutiös im Kopf, sah sie über Wochen wie einen Film vor mir. Doch dann fuhren wir raus zum Prater, wo ich unter dem Riesenrad stand, lange nach oben schaute und zu meiner Frau meinte: »Ich muss größer denken.« Wieder im Hotel rief ich Professor Ziegler an, den Berliner Sprengstoffexperten, der mir schon bei Geblendet wertvolle Dienste erwies. Als er meine Stimme hörte, fragte er freudig: »Was jagen wir diesmal in die Luft, Herr Pflüger?«
Tagebuch, 23. August 2024
Den Recherchetermin bei der Sicherungsgruppe des BKA zu bekommen, hatte sich schwieriger gestaltet als erwartet. Aber ja, es ist einer der sensibelsten Bereiche des Amtes, der Truppe ist das Leben unserer Spitzenpolitiker anvertraut. Wie immer half es, im BKA viele Fans zu haben, meine Freundschaft mit ihrem Ex-Präsidenten mag auch eine Rolle gespielt haben. Das Gespräch führte Holger Vitz mit mir, Kommandoführer des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten, ein alter Hase, der seine Laufbahn als Sherpa im Personenschutzkommando von Helmut Kohl begonnen hat. Anfangs war er noch etwas steif, aber merkte schnell, wie ernsthaft ich das Thema behandeln will und auch, dass ich im Stoff stehe. Es stellte sich heraus, dass in den Personenschutzkapiteln, die ich bereits geschrieben hatte, fachlich alles richtig war. Aber auf eine schöne Idee brachte Vitz mich doch. Später wieder am Schreibtisch. Lieblingssatz des Tages: Bei Dauerfeuer brachten sie es in der Panzerlimousine auf über zweihundert Schuss pro Minute, in diesem Gestöber von ausgestoßenen Patronenhülsen, die mit immensem Druck so dicht durch den Innenraum flogen, dass ihnen die Sicht genommen wurde.
Tagebuch, 22. Oktober 2024
Habe heute das erste Moskaukapitel begonnen. Es war seltsam, zwei Jahre nach Wie Sterben geht. Aber natürlich ist es 1989/90 nicht mehr dieselbe Stadt. Überall Pepsi-Reklamen, westliche Zeitungen an den Kiosken, die sich jedoch niemand leisten kann. Die Menschen träumen vom Kapitalismus, aber müssen zum Überleben Tauschgeschäfte wie im Mittelalter machen. Beim KGB gehen die Lichter aus, dort herrscht das pure Chaos. Sie rufen ihre Agenten aus dem westlichen Ausland zurück, oft vergeblich. Aus der Recherche weiß ich, dass manche sogar Aids erfunden haben, um dem nicht Folge leisten zu müssen. Aber KGB-Direktor Krjutschkow arbeitet schon an seinem Staatsstreich gegen Gorbatschow. Dessen Schicksal, die Hoffnungen, die damals im Westen mit ihm verbunden waren, und auch sein Versagen; all das zieht sich jetzt wie ein roter Faden durch das Buch. War Gorbatschow ein großer Mann? Gewiss nicht. Einmal heißt es bei mir: Der KGB flüstert ihm Lügen zu und macht ihm weis, das Volk würde ihn lieben. Tschechow hätte ihn als Tölpel beschrieben.
Tagebuch, 2. Dezember 2024
Monatelang meinte ich zu wissen, wie der Roman endet, und war schon verzagt, weil es bisher in jedem meiner Bücher am Ende anders kam, als ich glaubte. Und tatsächlich: Heute zeigte der Text mir, wo er wirklich hinwill. Nur ein Roman, der sein Ende selbst schreibt, kann gelingen.
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Andreas Pflüger
Bodo V. Hechelhammer, langjähriger Chefhistoriker des BND, über Kälter
Andreas Pflüger kommt in Kälter gleich zur Sache. Während Touristen auf Amrum gewöhnlich Ruhe und Entspannung suchen, lässt er Terroristen eine blutige Gewaltspirale im Wattenmeer entfesseln. Die Auseinandersetzung mit den Facetten des Terrorismus ist Pflügers zentrales Thema, und seine Romanheldin Luzy Morgenroth bekämpft dessen hässliche Fratze mit allen Mitteln, bis hin zur Selbstaufopferung. Auf ihrer Heldinnenreise lotet Luzy die Grenzen zwischen Recht und Rache aus. Israel, ein zentraler Schauplatz des Romans, ist aus deutscher Sicht dafür wie kein zweiter Ort geeignet. Dabei taucht die ehemalige Personenschützerin des BKA immer tiefer in die Grauzonen der Geheimdienste ein, deren verschlossene Welt Andreas Pflüger fachlich präzise und mit sprachlicher Wucht entschlüsselt. Geschickt spielt er mit historischen Fakten und Figuren zur Zeit des Mauerfalls in Berlin und in Wien.
Der Fall der Berliner Mauer markierte eine epochale Zeitenwende – für Deutschland und die Geheimdienste. Für den westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND) bedeutete er das Ende jahrzehntelanger Spionage gegen die DDR. Plötzlich waren die ostdeutschen Strukturen, die intensiv überwacht wurden, Geschichte. Der BND musste sich neu orientieren und seine Ressourcen auf neue Bedrohungen wie Terrorismus und organisierte Kriminalität konzentrieren. Für die ostdeutsche Staatssicherheit bedeutete der Mauerfall das Ende ihrer Existenz als Geheimdienst und Geheimpolizei. Auch der KGB wurde schon bald reformiert, verlor zunächst an Einfluss und wurde schließlich aufgelöst, wobei seine Aufgaben auf andere Sicherheitsdienste übergingen. Ironischerweise herrschte in dieser Zeit eine Art nachrichtendienstlicher Goldgräberstimmung: Überall wurden Informationen angeboten, verkauft und neue Allianzen geschlossen. Die Flut an Daten, Akten und Geheimdienstkontakten war enorm. Viele Stasi-Mitarbeiter boten dem Westen ihre Dienste an, verrieten Kollegen oder suchten einen Neuanfang – oft um Wissen zu Geld zu machen, so, wie etwa im Fall von Alexander Schalck-Golodkowski.
Den vollständigen Text von Bodo V. Hechelhammer finden Sie hier »
Veranstaltungen mit Andreas Pflüger
Sommerfest: 75 Jahre Suhrkamp
Wir feiern »Sommerfest: 75 Jahre Suhrkamp«Veranstalter: Suhrkamp Verlag, Literarisches Colloquium Berlin
Veranstaltungen mit Andreas Pflüger
Sommerfest: 75 Jahre Suhrkamp
Wir feiern »Sommerfest: 75 Jahre Suhrkamp«Veranstalter: Suhrkamp Verlag, Literarisches Colloquium Berlin