Die Sozialisationsforschung hat bei ihrem Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen der Persönlichkeitsgenese versäumt, den von ihr immer schon vorausgesetzten Begriff vom sozialisierten Menschen systematisch zu explizieren. Ihre Annahmen erscheinen als ebenso unzureichend wie traditionelle philosophische und psychologische Persönlichkeitsmodelle, wenn man bedenkt, daß der Mensch weder nur ein biologisches Gattungswesen oder von geschichtlich-gesellschaftlichen Bedingungen unberührtes...
Die Sozialisationsforschung hat bei ihrem Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen der Persönlichkeitsgenese versäumt, den von ihr immer schon vorausgesetzten Begriff vom sozialisierten Menschen systematisch zu explizieren. Ihre Annahmen erscheinen als ebenso unzureichend wie traditionelle philosophische und psychologische Persönlichkeitsmodelle, wenn man bedenkt, daß der Mensch weder nur ein biologisches Gattungswesen oder von geschichtlich-gesellschaftlichen Bedingungen unberührtes Individuum noch ein von äußeren Mächten determiniertes Objekt ist, sondern das Subjekt seines Handelns und seiner Geschichte, das sich gleichwohl erst aufgrund kontingenter empirischer Bedingungen bildet.
Aus dieser Perspektive diskutiert Dieter Geulen zunächst einige in der Literatur vertretene Vorstellungen vom vergesellschafteten Menschen, nämlich das anthropologisch-funktionalistische Modell, das Wissensmodell, das Integrationsmodell, das Repressionsmodell und das Individuationsmodell. Der zweite, konstruktive Teil des Buches geht von der These aus, daß der sozialisierte Mensch als gesellschaftlich handlungsfähiges Subjekt zu begreifen ist. Handlungsfähigkeit ist dabei weder nur in der positivistischen Verkürzung auf das Zweck-Mittel-Schema noch ausschließlich kommunikationstheoretisch gefaßt, vielmehr werden beide Aspekte, die Orientierung an Zielen und die Orientierung an anderen Subjekten, miteinander verknüpft. Dabei werden über einen neugefaßten Begriff des Handelns in Rollen hinaus besonders intersubjektives Verstehen, sprachliche Kommunikation sowie Taktik und Strategie des Handelns in Institutionen behandelt. Durchgängig zieht Geulen empirische Ergebnisse aus den einschlägigen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, vor allem aus Psychologie und Sozialisationsforschung, heran.
I.1 Problem
I.2 Zum Interesse an einer Sozialisationstheorie
I.3 Historischer Rückblick
II. ERSTER TEIL. DER SOZIALISIERTE MENSCH: VORLIEGENDE THEORETISCHE ANSÄTZE
2. Modelle vom sozialisierten Menschen
2.1 Das anthropologisch-funktionalistische Modell
2.1.1 Existenzsicherung, Entlastung und Formierung (A. Gehlen)
2.1.2 Kritik
2.2 Das Wissensmodell
2.2.1 Soziale Lebenswelt (A. Schütz, P.L. Herger und T. Luckmann)
2.2.2 Andere (A. Schütz, T. Shibutani u. a.)
2.2.3 Sprachlichkeit (G.H. Mead u. a.)
2.2.4 Kritik
2.3 Das Integrationsmodell
2.3.1 Persönlichkeit als Rollenbündel (O.G. Brim)
2.3.2 Rollennormen als individuelle Bedürfnisse (T. Parsons)
2.3.3 Kritik
2.4 Das Repressionsmodell
2.4.1 Repression als Einschränkung des Individuell-Persönlichen (R. Dahrendorf)
2.4.2 Repression organisch bedingter Triebe (S. Freud)
2.4.3 Die historische Dimension der Triebrepression (H. Marcuse)
2.4.4 Die Überwindung der Natur-Kultur-Dichotomie und die Bedeutung der Symbolik (Neoanalyse, T. Parsons, J. Habermas, A. Lorenzer)
2.4.5 Die Grenzen des Repressionsmodells als einer Theorie psychisch vermittelter Herrschaft
2.5 Das Individuationsmodell
2.5.1 Individualität und gesellschaftliche Differenzierung (E. Durkheim, G. Simmel)
2.5.2 Identität und sozial vermittelte Reflexion (G.H. Mead)
2.5.3 Identität und die Dialektik des Rollenhandeins (H. Plessner, E. Goffman, J. Habermas)
2.5.4 Der Begriff der subjektiven Identität
2.5.5 Kritik
3. Der Begriff des sozialen Handeins als Ausgangspunkt einer Sozialisationstheorie
3.1 Methodische Vorüberlegungen
3.2 Das handlungstheoretische Paradigma Talcott Parsons'
3.2.1 Die Kritik der positivistischen Handlungstheorie
3.2.2 Die voluntaristische Theorie des einzelnen Aktors
3.2.3 Soziale Interaktion
3.2.4 Zur Relevanz und Kritik der Parsanssehen Handlungstheorie
III. ZWEITER TEIL. SOZIALE HANDLUNGSFÄHIGKEIT: EIN SYSTEMATISCHER ENTWURF
4. Die allgemeine Struktur der Handlungsorientierung
4.1 Die Wahrnehmung der Situation
4.1.1 Beschreibung des Wahrnehmungsvorganges
4.1.2 Das Vorverständnis
4.1.2.1 Das kategoriale System
4.1.2.2 Das konkrete Wissen
4.1.2.3 Das Gedächtnis
4.2 Die Realitätsprüfung
5. Die soziale Ebene der Handlungsorientierung
5.1 Handeln in Rollen
5.1.1 Interaktionsspiele
5.1.2 Die kognitive Organisation der normativen Komponente
5.2 Wahrnehmung und Verstehen konkreter Anderer
5.2.1 Wahrnehmung der sozialen Identität
5.2.2 Soziale Kognition (Beurteilung der Persönlichkeit)
5.2.3 Empathie (Verstehen aktueller Ausdrucksphänomene)
5.2.4 Verstehen der Handlungsorientierung durch virtuellen Positionswechsel
5.3 Kommunikation
5.3.1 Linguistische Beiträge zum Problem der kommunikativen Fähigkeiten
5.3.1.1 Beiträge aus dem Bereich der Grammatik
5.3.1.2 Beiträge aus dem Bereich der Semantik
5.3.1.3 Der Ansatz der linguistischen Pragmatik
Exkurs: Die Sprechakttheorie
5.3.1.4 Der Ansatz einer Universalpragmatik
5.3.2 Die Struktur kommunikativer Orientierung
5.3.2.1 Das Vorverständnis der Sache
5.3.2.1.1 Zur hermeneutischen Theorie des Verstehens
5.3.2.2 Der Hinblick auf den Anderen
5.3.2.3 Metakommunikation
5.3.2.4 Informelle Kommunikation
5.3.3 Kommunikative Kompetenz: Prinzipien und Regeln
Kommunikationskonstituierende Prinzipien und Regeln
5.4 Taktik und Strategie
5.4.1 Taktik in Situationen
5.4.2 Zur Charakteristik taktischen Handeins
5.4.3 Schemata taktischen Handeins
5.4.3.1 Informationspolitik
5.4.3.2 Rollenmanöver
5.4.3.3 Einbeziehung Dritter
5.4.4 Psychologische Korrelate und Sozialisationsbedingungen
5.4.5 Systemrelevantes (politisches) Handeln
5.4.5.1 Möglichkeiten systemrelevanten Handeins
5.4.5.2 Spezifische subjektive Bedingungen systemrelevanten Handeins
6. Schluss: Zusammenfassung und offene Probleme
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de

