Die Treuhandanstalt war eine der umstrittensten Organisationen in der deutschen Geschichte. Als »größtes Unternehmen der Welt« führte sie einen Vermögensumbau von bisher unbekanntem Ausmaß durch. Zwischen kollabierendem Realsozialismus und sich globalisierendem Kapitalismus überführte ihr Personal die »volkseigenen« Betriebe der DDR vom Plan zum Markt. Verkäufe an zumeist westdeutsche Investoren, Branchenabwicklungen und Massenentlassungen prägten ihre krisengeschüttelte Geschäftspraxis...
Die Treuhandanstalt war eine der umstrittensten Organisationen in der deutschen Geschichte. Als »größtes Unternehmen der Welt« führte sie einen Vermögensumbau von bisher unbekanntem Ausmaß durch. Zwischen kollabierendem Realsozialismus und sich globalisierendem Kapitalismus überführte ihr Personal die »volkseigenen« Betriebe der DDR vom Plan zum Markt. Verkäufe an zumeist westdeutsche Investoren, Branchenabwicklungen und Massenentlassungen prägten ihre krisengeschüttelte Geschäftspraxis nicht weniger als wütende Proteste, politische Kontroversen und öffentliche Skandale.
Jenseits zeitgenössischer Bewertungen als alternativlosem »Erfolg« oder neoliberale »Abwicklung« wirft Marcus Böick erstmals einen zeithistorischen Blick auf den widersprüchlichen Auftrag des Wirtschaftsumbaus und rückt dessen Personal in den Fokus. An der Schnittstelle von Wirtschafts- und Kulturgeschichte zeichnet er mit präzisem Blick die zugrundeliegenden Ideen, den dynamischen Organisationsalltag und die facettenreichen Erfahrungen der Mitarbeiter nach, die die Transformation so maßgeblich wie unvorbereitet mitgestaltet haben.
1. Die zeitgenössische Debattenlandschaft
1.1 Journalistische Annäherungen: Enthüllung, Skandal und Abenteuer
1.2 Die Transformationsforschung: Aufträge, Deskription und Affirmation
2. Die Quellen: Jenseits des Treuhand-Archivs – Editionen, Medien, Interviews
2.1 Das Treuhand-Archiv: Eine Parabel
2.2 Editionen und Dokumentationen: Zwischen Zeitzeugnis und Artefakt
2.3 Die Treuhandanstalt im Blickfeld der Medienöffentlichkeit: Pressespiegel und Spiegelbilder
2.4 Erinnerungen und sozialwissenschaftliche Interviews: Individuelle Innenansichten
3. Die Methode: Die Treuhandanstalt als Gegenstand der Zeitgeschichte
3.1 Die Treuhandanstalt in der zeit- und wirtschaftshistorischen Forschung
3.2 Ansatzpunkte zu einer Historisierung: Debatten und Methoden
4. Das Sujet: Eine Arena des Übergangs
I. Ideen- und Konzeptgeschichte. Wege und Alternativen zum deutsch-deutschen Treuhand-Modell
1. Die Theorie: Die bundesdeutschen Wirtschaftswissenschaften und der Umbau der Planwirtschaft
1.1 »Wandel durch Abwendung«: Planspiele für einen DDR-Wirtschaftsumbau vor 1989
1.2 Der Doktorand und der Wirtschaftsminister: Bundesdeutsche Reformentwürfe
1.3 »Indifferenz wäre nicht angebracht«: Ökonomische Interventionen im Januar 1990
1.4 »Es geht um mehr als um Ökonomie«: Politik und Ökonomie im Grundsatzkonflikt
1.5 (K)eine Stunde der Ökonomen? Ost-westliche Annäherungsversuche
2. Die Wirtschaftsreform: Debatten innerhalb der DDR bis Februar 1990
2.1 »Eine Flut von Vorschlägen«: DDR-Reformdiskussionen ab November 1989
2.2 »Dieser Sozialismus muss reformierbar sein«: Konzeptionen der Modrow-Regierung
2.3 Streit um Wirtschaftsfragen: Reformdebatten am Runden Tisch bis Januar 1990
3. Das Wirtschaftswunder: Die Bonner Politik und die Überwindung der »Kommandowirtschaft«
3.1 Der Weg zum Wirtschaftswunder: Bonner Beamte auf Orientierungssuche
3.2 »Traumverbot« und »D-Mark-Nationalismus«: Gegenvorschläge der Opposition
3.3 »Penizillinspritze« oder »Totaloperation«? Die DDR-Regierung zu Besuch in Bonn
4. Die Angst: Das »Volkseigentum« und die Gründung der Treuhandanstalt
4.1 Verlustgefahr beim Volksvermögen: Treuhand-Holding und Treuhandbank
4.2 »Revolutionäre und Wessis in die Treuhand«: Gründung und Personaldebatten
5. Die Schocktherapie: Bonn und Ostberlin auf dem Weg zu Staatsvertrag und Treuhandgesetz
5.1 »Zeitmaschine in die Zukunft«: Die Verhandlungen zum ersten Staatsvertrag
5.2 »Der einzige Lösungsansatz, wenn richtig gemanagt«: Der Weg zum Gesetz
5.3 »Volksenteignung«? Das Treuhandgesetz in der Volkskammer
6. Die Treuhand: Ein unternehmerisches Sondermodell
II. Organisations- und Praxisgeschichte. Die Treuhandanstalt im Alltag des Wirtschaftsumbaus
1. »Erst das Leben, dann die Paragraphen«: Der Präsident vor der Volkskammer
2. Ein Heerlager im Dreißigjährigen Krieg: Die Ur-Treuhandanstalt bis Juni 1990
2.1 Kontexte: Im Windschatten der Politik
2.2 Praxis: Erfassung, Umwandlung und Beratung der DDR-Betriebe
2.3 Strategien: Ohne Literatur ans Werk?
2.4 Organisation: »Im Grunde keine Zeit«
2.5 Personalpolitik: Pragmatischer Realismus oder rote »Bonzen-Wirtschaft«?
2.6 »Basis für höhere Anforderungen«: Die Abschlussbilanz
3. Eine One-Man-Show als Intermezzo: Gohlke als erster Präsident
3.1 Kontexte: Die Suche nach dem neuen Präsidenten
3.2 Praxis: Liquiditätsengpässe und Krisenmanagement
3.3 Strategie: Das abrupte Ende der One-Man-Show
3.4 Organisation: Statuten und Vorschläge von außen
3.5 Personalpolitik: »Profis für die DDR« statt »Ruhekissen für Altkader«?
3.6 »Kapitalistisches Monopoly«: Die dreifache Ökonomisierung
4. Der Schmelztiegel: Die Expansion der Treuhandanstalt unter Rohwedder bis März 1991
4.1 Kontexte: Von den Rändern ins Zentrum des »Tornados«
4.2 Praxis: »Die Privatisierung hatte Narrenfreiheit«
4.3 Strategie: »Was sind eigentlich unsere Grundsätze?«
4.4 Organisation: »Jede Woche neue Org-Pläne gemalt«
4.5 Personalpolitik: Häuptlinge auf der Suche nach ihren Indianern
4.6 Macher, Amalgamierung, Chaos: Die »Goldene Zeit« bis März 1991
5. Die Hochgeschwindigkeitsprivatisierung: Das Massengeschäft unter Breuel 1991/92
5.1 Kontexte: Vom Schock in den umstrittenen Transformationsalltag
5.2 Praxis: Die Zeit der Hochgeschwindigkeitsprivatisierungen
5.3 Strategie: Privatisierung als betriebswirtschaftliche Mathematik
5.4 Organisation: Die Einhegung eines »Landsknechthaufens«
5.5 Personalpolitik: Die Suche nach dem »Miteinander«
5.6 »In viel zu großen Sprüngen«: Privatisierungspraxis unter Druck
6. »Der Winter kommt …«: Das schwierige Verschwinden 1993/94
6.1 Kontexte: Das umkämpfte Ende zwischen Halle und Bischofferode
6.2 Praxis: Sanierung, Vertragsmanagement und Härtefälle 1993/94
6.3 Strategie: »Industrielle Kerne – Was wir damit meinen«
6.4 Organisation: Der steinige Weg zur Selbstauflösung
6.5 Personalpolitik: Fluktuation, Outplacement und Zukunftsangst
6.6 »Stabwechsel ’94«: Das lange Ende der Treuhandanstalt
7. Im Ausnahmezustand: Werden und Vergehen einer Schwellenorganisation
III. Sozial- und Erfahrungsgeschichte. Typologien und Erzählungen einer Übergangsgesellschaft
1. Perspektiven auf das Personal: Typologien und Erzählungen
2. Die Industriemanager: Kaufleute an der Frontier
2.1 Außenansichten: Entzauberte oder bewunderte »Wirtschaftswunderdoktoren«
2.2 Wege zur Treuhand: Industriell-unternehmerische Aufstiegserzählungen
2.3 Motivationserzählungen: Idealismus, Challenge, Markteuphorie
2.4 Erfahrungen: Häuptlinge im Wilden Osten
3. Die Verwaltungsexperten: Bürokraten unter Managern
3.1 Außenansichten: Bremse per Vermerke-Unwesen
3.2 Wege zur Treuhand: Laufbahnbeamte und Grenzgänger
3.3 Motivationserzählungen: Jenseits des »einsamen Beamtenstuhls«
3.4 Erfahrungen: Grenzgänger zwischen Bürokratie und Ökonomie
4. Die Planwirtschaftskader: An der Schnittstelle des Ost-West-Konfliktes
4.1 Außenansichten: Zwischen Ost-West-Kluft und idealer Symbiose
4.2 Wege zur Treuhand: »Ich bin voll in diesem Staat DDR aufgewachsen«
4.3 Motivationserzählungen: »Du kannst irgendwie noch etwas bewegen«
4.4 Erfahrungen: Altkader zwischen Neuanfang und innerem Kampf
5. Yuppies, Frauen, Ausländer: Die »Anderen« bei der Treuhandanstalt
5.1 Karrieresprungbrett Ost: Nachwuchsführungskräfte im Generationenkonflikt
5.2 »Ostfrau« im Büro, Ehefrau in der Ferne: Frauen bei der Treuhandanstalt
5.3 Sonder- oder Modellfall? Die Treuhand und das Ausland
6. Eine Abenteurergemeinschaft: Die Treuhand als soziales Erlebnis
Fazit
Dank
Quellen und Literatur
Personenregister
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Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Personen für Die Treuhand
Marcus Böick
Marcus Böick, geb. 1983, studierte Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Bochum. Dort ist er Akademischer Rat am Historischen Institut. Veröffentlichungen u. a.: Studie zur Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt (Mitautor, 2017); Themenheft Vermarktlichung der Zeithistorischen Forschungen (2015); Aus einem Land vor unserer Zeit. Eine Lesereise durch die DDR-Geschichte (2012).
Marcus Böick, geb. 1983, studierte Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität Bochum. Dort ist er...

