Der Abschied
Das Wort »Abschied« gehört zu den umgangssprachlich geläufigsten des Alltags und seiner Psychologie. Karl Heinz Bohrer beschäftigt sich in seinem großen Buch nicht bloß eindringlich-provokant mit den verschiedenen Formen des Abschieds. Vielmehr gilt sein theoretisches Interesse dem Abschied als Strukturgesetz. Seine Analyse weist nach, dass sich seit 1800 ein poetischer Diskurs herausbildet, in dem Abschied eine radikal neue, jede Form von Trost zurückweisende Gestalt annimmt, die im Werk...
Das Wort »Abschied« gehört zu den umgangssprachlich geläufigsten des Alltags und seiner Psychologie. Karl Heinz Bohrer beschäftigt sich in seinem großen Buch nicht bloß eindringlich-provokant mit den verschiedenen Formen des Abschieds. Vielmehr gilt sein theoretisches Interesse dem Abschied als Strukturgesetz. Seine Analyse weist nach, dass sich seit 1800 ein poetischer Diskurs herausbildet, in dem Abschied eine radikal neue, jede Form von Trost zurückweisende Gestalt annimmt, die im Werk von Charles Baudelaire kulminiert. Die moderne Trauer, die Baudelaires Werk prägt, weiß, dass die Gegenwart gar nicht mehr erfahrbar, dass sie stets schon entschwunden ist. Indem die Reflexionsfigur des je schon Gewesenen eine Aufhebung des literarischen Diskurses bedeutet, erkundet die Theorie der Trauer die Grenzen des Erfahrbaren.
Vorwort
Eröffnung: Zwei Formen des Abschieds
Baudelaires Melancholie als Zeitbewußtsein
Der Abschied, der nicht endgültig ist
Die romantische Kontemplation der Vergänglichkeit
Walter Benjamins sozialhistorisches Mißverständnis
Die vollendete Kontemplation: Statt elegischer Erinnerung die Reflexionsfigur des endgültigen Abschieds
Das Erschrecken über das Verschwinden des Schönen
Die Zeit als Subversion des Bewußtseins: Uhrzeiger und Sinnlichkeit
Die Aufhebung des epiphanen Moments: À une Passante
Die Auflösung der Allegorie in der Bewegung des Verschwindens: »Le Cygne«
Zerstörung der Vergangenheit durch Gegenwart: Die Differenz zu Verlaine und Proust
Le Soleil couchant: Das Problem der Transzendenz von Raum und Zeit
Ein nur akzidentielles »Jetzt«
Die »Douleur« als Codewort des Zeitbewußtseins
Was für ein Sonnenuntergang?
Abschied von der Romantik im Horizont des Todes
Jenseits des Mythos
Die Bedingung der radikalen Melancholie
Goethes Abschiedsrede, eine Inversion der geschichtsphilosophischen Elegie
Die Abschiedselegie Schillers und das Zeitbewußtsein der Idylle des 18. Jahrhunderts
Goethes a-utopische Naturerfahrung versus Geschichtsphilosophie
Die Abschiedsstruktur des Torquato Tasso: Die Aufhebung der mythischen Illusion
Abschiedsgesang als Reflexionsfigur des je schon Gewesenen
Erfüllter und negativer Augenblick: Ekstasen der verlorenen Zeit
Nietzsches Abschiedsbewußtsein, die ästhetische Korrektur der teleologischen Moderne
Die Theorie der Tragödie als Abschiedsklage
»Abendröthe« – Eine nach-Hegelsche Verlusttheorie der modernen Kunst
»Gram ist Erkenntnis«
Ekstasen reiner Zeitlichkeit: Der Untergang des »Grossen Mittags«
Gibt es eine mythische Rekonstruktion?
Benjamins geschichtsphilosophische Rettung der verlorenen Zeit
Keine subjektive Zeiterfahrung: Der geschichtsphilosophische Blick
Die wiederhergestellte Zeit als Triumph der Elegie
Das Geheimnis der Vorgängigkeit
Transformation von Zuständlichkeit in Gegenständlichkeit
Erinnerte Kindheit als der wiedergewonnene Mythos
Epilog
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10119 Berlin
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Personen für Der Abschied
Karl Heinz Bohrer
Karl Heinz Bohrer, geboren 1932 in Köln, war Literaturkritiker, Herausgeber, Wissenschaftler, Verfasser vieler Werke um die zentrale Idee des Momentanismus, der »Plötzlichkeit«. Langjährige Aufenthalte in Frankreich und England als bewusste Erfahrung der »Fremde«. Hochschullehrer in Deutschland, Frankreich und den USA. Als scharfzüngiger, auch polemischer Zeitkritiker stand er immer wieder im Zentrum heftiger Diskussionen. Bohrer verstarb am 4. August 2021 in London.
Karl Heinz Bohrer, geboren 1932 in Köln, war Literaturkritiker, Herausgeber, Wissenschaftler, Verfasser vieler Werke um die zentrale Idee des...

