Nach einer These des Oxforder Philosophen Michael Dummen (Ursprünge der analytischen Philosophie) liegen die Ursprünge der analytisschen Philosophie nicht so sehr im Englischen Empirismus, sondern, außer bei Frege, vor allem bei Brentano und dem frühen Husserl. In der kontinentalen Husserl-Rezeption ist man jedoch fast ausschließlich dem späteren, transzendentalphänomenologischen Husserl zugewandt und vertritt die bereits von Husserl unterstützte These, daß sein erstes Hauptwerk,...
Nach einer These des Oxforder Philosophen Michael Dummen (Ursprünge der analytischen Philosophie) liegen die Ursprünge der analytisschen Philosophie nicht so sehr im Englischen Empirismus, sondern, außer bei Frege, vor allem bei Brentano und dem frühen Husserl. In der kontinentalen Husserl-Rezeption ist man jedoch fast ausschließlich dem späteren, transzendentalphänomenologischen Husserl zugewandt und vertritt die bereits von Husserl unterstützte These, daß sein erstes Hauptwerk, die Logischen Untersuchungen (1900/01), nur von seinem späteren Werk her zu verstehen sei. Die vorliegende Arbeit unternimmt es dagegen zu zeigen, daß die Logischen Untersuchungen als Antwort auf ein Problem seiner Philosophie der Arithmetik (1891), einem Konkurrenzunternehmen zu Freges Grundlagen der Arithmetik (1884), zu verstehen sind und somit einen gewissen Abschluß seines Frühwerks darstellen. Dabei handelt es sich um das Problem symbolischer Erkenntnis, das Husserl dazu führt, einen neuen Begriff der Intentionalität zu entwickeln.
Der vorliegende Band befaßt sich daher mit einer entscheidenden Phase der Geschichte des Intentionsbegriffs. Er beginnt mit einem Überblick über die aktuelle Diskussion in der gegenwärtigen Philosophie und arbeitet im Anschluß daran den Aristotelischen Ursprung des Intentionsbegriffs bei Husserls Lehrer Brentano heraus. In dem Husserl-Teil, in dem neue Interpretationen sowie ausführliche Darstellungen zu Husserls Frühwerk enthalten sind, werden u.a. überraschende Parallelen zur Semiotik von Saussure, Peirce und Jakobson gezogen. Im Schlußkapitel wird gezeigt, daß Husserl in seinen ersten Werken ein Programm zur Aufklärung algorithmischer Verfahren aufstellt, das mit den Grundannahmen einer zentralen Strömung in der künstlichen Intelligenz übereinstimmt. Dieses Programm hat Husserl in den Logischen Untersuchungen aber nicht ausgeführt, was Dieter Münch zufolge durch das Problem symbolischer Erkenntnis und der Entdeckung der Intentionalität – also dem Begriff, den Kritiker der künstlichen Intelligenz wie Searle und Dreyfus so sehr betonen – bedingt ist.
Die analytische Perspektive des Bandes verspricht, die noch immer bestehende Kluft zwischen analytischer Philosophie und Phänomenologie durch eine »analytische Phänomenologie« zu überwinden und zugleich eine kontinentale Tradition der Kognitionswissenschaft zu entdecken.