Gesammelte Gedichte

2004-2021
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Marcel Beyer
Gesammelte Gedichte
2004-2021
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Marcel Beyer
Als Friederike Mayröcker 2004 den 80. Geburtstag feierte und ihre Gesammelten Gedichte 1939-2003 erschienen waren, entschloss sie sich, noch einmal in eine ganz neue Richtung aufzubrechen. Nach und nach entwickelte sich so eine eigene Form, der sie den Namen »Proëm« gab – lyrische Erleuchtung und hellwache Weltbeobachtung, changierend zwischen Kurzprosa und Gedicht. Zu ihrem erklärten Ziel wurde es, schreibend den Tod, ihren erbitterten Feind, auf Distanz zu halten. Friederike...
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Als Friederike Mayröcker 2004 den 80. Geburtstag feierte und ihre Gesammelten Gedichte 1939-2003 erschienen waren, entschloss sie sich, noch einmal in eine ganz neue Richtung aufzubrechen. Nach und nach entwickelte sich so eine eigene Form, der sie den Namen »Proëm« gab – lyrische Erleuchtung und hellwache Weltbeobachtung, changierend zwischen Kurzprosa und Gedicht. Zu ihrem erklärten Ziel wurde es, schreibend den Tod, ihren erbitterten Feind, auf Distanz zu halten. Friederike Mayröcker tat es mit ungeahnter Produktivität und überbordendem Farbenreichtum, indem sie ihre Liebe zum Leben heraufbeschwor: In Erinnerungen an ihre wechselvolle Kindheit im Wien der zwanziger und dreißiger Jahre, an ihre Jahrzehnte an der Seite von Ernst Jandl, an zahllose Begegnungen mit Menschen, Kunstwerken und Musik. Dem Wechsel der Jahreszeiten folgte sie aufmerksamer denn je, und mit ihrer Sprachmacht verstand sie es, eine Blume auf dem Fensterbrett gegenüber zum Zentrum des Universums werden zu lassen.
Friederike Mayröcker war eine der großen Dichterinnen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Immer wieder wurde sie für den Literaturnobelpreis ins Gespräch gebracht. Am 4. Juni 2021 verstarb sie mit 96 Jahren in ihrer Heimatstadt Wien. Der vorliegende Band knüpft an die Gesammelten Gedichte 1939-2003 (2004) an und trägt Friederike Mayröckers lyrisches Spätwerk bis zu ihrem allerletzten, 2021 entstandenen Proëm zusammen.
dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif
und Pflanzen rasen jauchzend in Juni Garben
ganz verknallt
für Marcel Beyer
Land der offenen Ferne
allzu Fuchsien
dann, dort, das Seelchen unbeschuht,
[in unserer Gasse der Fleischerladen]
Wissenschaft und Nächstenliebe
Maria Gruber, Glasarbeit (»der Kehlenschnitt«)
Tochter der Natur
für mein Milchkind, oder bin traurig kann hier nicht länger
bleiben
[erschrecke zuweilen dasz der zu dem ich spreche]
[Heirat durch Geflüster Ende Oktober]
die Augen (AUEN), Zahngüsse etwa Auguren
Marquise hündischer Segen
Radio Grammophon
[da bist du hin gegangen da bist du hin geflogen]
die Körperwelle, sonntags
Nach/holungen eines Gedichtes von Ernst Jandl
Fleisch des Gedichts
[1 Bleistift Stummel zwischen seinen Fingern]
das Blau des Himmels, Bataille
für Maria Gruber [nein nicht rotes Haar]
[gegabelte Blitze, Dylan Thomas]
tatoo
Besuch bei Edith S., oder internet
[1 welkes Blatt im Flur 1 scheckiger]
eiskaltes Bouquet
Repetition EJ
für Valérie B.
[damals als ich mit ihm nach Dornbach mit der Elektrischen]
über das Hügelland, für Ernst Jandl
[Amaryllis Auge weit aufgerissen]
Halde mit Rosen
»ich bin in Trauer tiefer als du denkst« (Dusan Kovacivics)
[des Sommers Fahnen]
Nord Ischl, unterquellenhaft,
»Materie in Form einer Achselhöhle«, Antoni Tàpies
[wie man ein Telefongespräch endet]
des Winters Rosen,
mit Hortensienblüten, für Maria Gruber
[meine Mutter Mandelblüte]
[in einem Bouquet am Nebentisch]
»Frühstück im Ohr« von Maria Lassnig
[unverwüstet der Sommer noch immer die grünen]
an Wolfgang Bauer
[dieses blonde Licht in Zöpfen]
[blaszgelber Horizont – es beginnt immer mit einem Spähen]
Fragmente von.
[der Klatschmohn nämlich Mohnblumen Morgen]
Arkadien
[ob diese Liebe wie Aprikose (April)]
Amalia an Adalbert (Stifter)
[das himmlische Jerusalem im Morgendunst]
[Milch der Frühe (Celan?) schon Flocken?]
[jetzt ist er plötzlich ganz verstummt der Himmel]
[im Morgen Nebel Niesel Regen]
nach Amerika
Gang mit B.
an EJ im Tonfall von BB
Lied ohne Worte [wie Marcel sagte, kl.Hundegeschmack]
Melancholia
Gala
für EJ oder das durstige Bett
im Palmenzimmer meiner Ärztin
[der weisze Flockenwirbel : Knospe des Fensters vis à vis]
[wenn flitzen die roten Blumen]
zu Maria Grubers Deckblatt (Kalendarium)
[die roten Kleckse im grünen Blattwerk]
[das violette Bild die Kuhschellen Gieszkanne]
haiku
[im Fenster der kl.Schwan die geknickte Gardine]
zu Maria Grubers »Bäume in Rosenrot«
[das himmlische Kind der blutende Finger]
[ich weine weil die Sonne scheint]
[damals, in getrennten Hotelzimmern, auf dem Korridor,]
[im offenen Fenster, vermutlich zum Trocknen]
[im halben Fenster die schäumende Blume 1 Rudel Texte]
[die grünen Buschen im Fenster die Schatten des Mondes]
[meine Pilgerschaft meine Paloma]
Briefkomet an Angelika Kaufmann
zu Maria Grubers »verlassene Häuser«, Aquarell 36 × 48 cm
für Georg Kierdorf-Traut [als ich den Flur betrat]
für Maria Gruber zum 60.Geburtstag
Paul Gerhardt, geistliches Lied
[solange ich die Augen geschlossen halte]
[aus grünbemalter Quelle ein Glyzinien Flor]
[dieser Nachsommer der mich mit seinen grünen Armen]
im Gedenken an Oskar Pastior
für Georg Kierdorf-Traut zum 75.Geburtstag
im Orangen Gestirn die schwangere Flora
[habe ich lange genug geherzt dieses Gedicht]
E.J. [wollt ihr die alten Fische mitnehmen]
eine Heimatgeduld, oder was
Bettchen Locke, von feurigen Stimmen befallen
all deine kl.Schultern, die jüngsten Träume
[Hyazinthus : des Todes Tatze]
Gruszwort, geflüstert, für Angelika Kaufmann
[damals in diesen Sommern schwebend über den Gärten]
das recycling der Jahreszeiten
[rebus, die Nägel in Fransen]
wie die Immen die Zerreiszprobe keusch zu sein oder ach du mein
Nacht Kehlchen
an Valérie
heillose Welt
an Laura nämlich das zitternde Kind im Steckkissen
»love me love my umbrella«, James Joyce : für eine Familie
[die Kriegsjahre : Sirup]
[dann fällt mir das Wort Aaronstab ein]
Fasanenschreie und dunkle Rosen oder mehrere Schaufeln Erde,
darunter im Aschengrab was 1 mal 1 Mensch war
Infantin des Winters
[der Waldesschatten (damals) zerrte]
»Apfelhäutchen«, Durs Grünbein / illuminiert von den Schaafen
mit Scardanelli
[und saszen auf der Bank inmitten Tannen und Gebüschen]
ekstatischer Morgen, für Linde Waber
[Velázques diese Schaafe, der offizielle Ozean]
aus einem Skizzenbuch, für Anton Watzl
[dieser Leiterwagen dieses Schluchzen diese 70 Jahre danach]
auf dem Cobenzl
[während du dieses sprichst sagt Elke Erb sehe ich Lametta]
1 Holzschnitt mir ans Herz geschnitzt (»Kakanien«) von Anton
Watzl
an EJ [er lädt mich zum Essen]
gegaukeltes Gebrauchsgedicht von den Geist Zungen für Christel
und Matthias Fallenstein ins Gästebuch geschrieben : virtuelles
Lobgedicht auf 1 Gastgeberpaar, empfangen gestern 14.Juni
2008
Bad Ischl, vergangener Sommer
1 paar Atemzüge für Klaus Schöning, dankend für die gemeinsamen
Stunden im Zeichen der Poesie vom 12.-20.6.2008 (verhüllte den
Kai . .)
mein Tod mein Tyrannchen meine Lebensglut ohne Ende
[ins Gamben Grab den nassen (nackten) Körper]
ach selbst im hohen Alter möchte man sich die Welt noch erklären
lassen, 1 Begegnung mit Franz Josef Czernin
Pötzleinsdorfer Schloszpark mit Reh fotografiert von Julian
Schutting vielleicht auch Fresko
an 1 Blutsverwandte
[Quellen Türkei, als ich erwachte]
oh Phantasus, mit Kornrade, zerbrochenen Blüthen
die Leinwände Maiglöckchen 2008
1 brillanter Narr wie ich, Francis Bacon
[sei du bei mir in meiner Sprache Tollheit]
[als die Pfingstrosen in dem fremden Garten]
der Kuckuck am Morgen der Heimreise
[zum schallenden Ufer der Schmerz ist die Welt]
[leg mir nur 1 Blume auf das frische Grab]
Landessprache
Tiergarten Berlin, ca. ’71. Für Ernst Jandl
halluzinierende Verwandtschaft, oder »schlafen träumen« nach
einem 1-Personenstück von Samuel Beckett,
Elegie auf Jorie Graham
necklacing my consciousness, für Benjamin Fallenstein weil
verschwistert mit der engl.Sprache zum 26.Geburtstag am
8.9.08
[so gehen wir hin, sage ich zu Fredy K.]
[ja auf dem Heimweg die Amsel das Amselpaar]
77, oder wollen Sie mit mir über Tränen sprechen, Jacques
Derrida
Versilbung, -silberung eines Morgens während im Nebenraum John
Dowlands Verbalisierung des Himmels
Von den Umarmungen
vom Umschlingen der Sperlingswand mitten im Epheu
über das Küssen
von den Umarmungen
vom Küssen der Zunge, im Sinne von Sprache
vom Küssen der Drossel im Mai
vom Küssen der Achselhöhle
vom Herzen und Küssen des Alpenlichts
vom Küssen des Scheitels
vom grenzenlosen Küssen der Lider
vom Behauchen eines Schmetterlings
vom Küssen der Buschwindröschen mitten im Winter
vom Umarmen der armen Seelen
vom Küssen der Jungfrau im Schnee im Rosengebüsch, nach Martin
Schongauers »La Vierge au buisson de roses« 1473 Detail
vom Küssen der Füsze der Braut
vom Küssen vom Schmecken vom Lecken der Staubzucht des Man
Ray : vom Küssen vom Schmecken vom Lecken der Schreibzucht
des Peter Huchel
vom Wachküssen eines Ästchens im Februar
vom Umarmen eines Aloe-, Lorbeerbäumchens im Therapiezimmer
meiner Physiotherapeutin
vom Wachküssen einer Dornröschenliebe
vom Umarmen des Komponisten auf dem offenen Soffa
vom Küssen der Handinnenflächen im Vorfrühling
vom Küssen einer Haarsträhne zwischen den Lippen
zu Gabriele Quasebarths Gemälde »Traurige Tropen« (’83/’84)
1 ungelebte Studie, oder Exzellenz
das in die Ohren hineinfeuern / Tinnitus, zu 1 Gedichtzeile von
Ernst Jandl
es.
[………. sauset (beim Erwachen)]
für Edith S. [im Blitz zwischen München und Wien]
o.T. (»Leiter«)
zum 10.Todestag von Ernst Jandl
von der Schwermut des Alfred K., von den niederhängenden
Zweigen des Schicksals
[ich stand an der Brüstung oder einem hohen Fenster]
zu Maria Grubers Aquarell »Burgund« (1998)
Notiz zu Maria Gruber’s Aquarell »mein Kraftfeld Ravel« (1999)
ach mit Wachs oder Gedicht zum Ende des Jahres 2010, für E.S.
o.T. [fällt aus den Augen der Schlaf]
etwa A.K. zuliebe (16.2.011)
dem schlangenköpfigen Abyssus zuliebe. Zu Simone Kappeler’s
Weisze Pfauen, 8. 4. 2010 unter Einbeziehung des Einsamkeits Bilds
von Zwei Esel, Hochwinter, 24. 2. 2003
das serielle Prinzip des Man Ray unter Tränen
Supplement am 19.2.2011
[ihre Brüste = « vu! »]
[Federchen (Hosenlatz) hebt sich]
vom Rauschen des Äthers vom Lauschen einer geliebten Stimme
(M.K.) …. versuche mich nicht ohne Not etc.
Übung mit H.v.K.
Quellchen und tiefe Grotte Schönbrunn. Zu Arbeiten von Gerda
Haller
[im Totenreich]
Inhaltsverzeichnis
ORF-Bestenliste
SWR-Bestenliste
Bibliografische Angaben
Service
Umschlag / Cover (Web)Umschlag / Cover (Print)Leseprobe
Produktsicherheit

Personen für Gesammelte Gedichte

Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten.

Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine...

Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private...

Herausgeber, Nachwort

Marcel Beyer, geboren am 23. November 1965 in Tailfingen/Württemberg, wuchs in Kiel und Neuss auf. Er studierte von 1987 bis 1991 Germanistik, Anglistik und Literaturwissenschaft an der Universität Siegen; 1992 Magister artium mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker. Der Autor erhielt zahlreiche Preise, darunter 2008 den Joseph-Breitbach-Preis und 2016 den Georg-Büchner-Preis. Bis 1996 lebte Marcel Beyer in Köln, seitdem ist er in Dresden ansässig.

Herausgeber, Nachwort

Marcel Beyer, geboren am 23. November 1965 in Tailfingen/Württemberg, wuchs in Kiel und Neuss auf. Er studierte von 1987 bis 1991 Germanistik,...


STIMMEN

»Faszinierend sind Lyrik und Prosa dieser Jahrhundertdichterin ...«
Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel
»Bilder ganz aus Sprache leuchten in diesen Texten auf ...«
Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung
»... eine poetische Offenbarung.«
Richard Kämmerlings, WELT AM SONNTAG
»Faszinierend sind Lyrik und Prosa dieser Jahrhundertdichterin ...«
Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel
»Bilder ganz aus Sprache leuchten in diesen Texten auf ...«
Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung
»... eine poetische Offenbarung.«
Richard Kämmerlings, WELT AM SONNTAG
»... dieses Buch! Von ihm gilt, was nur für ganz, ganz wenige Bücher gilt: Die Welt ist mit ihm definitv eine bessere. Schön, dass es so etwas (vielleicht ein letztes Mal) noch gab.«
Andreas Ammer, Münchner Feuilleton
»Friederike Mayröckers Spätwerk, gesammelt und geordnet von Marcel Beyer, sprengt den Rahmen, geht und denkt über Grenzen, erinnert die Zukunft, prognostiziert Vergangenes, spielt, singt und flüstert, tänzelt, traumwandelt und trotzt – radikal.«
Tiroler Tageszeitung

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