Sie weigern sich, im Keller Schutz zu suchen, und harren in der dunklen, zugigen Gemäldegalerie aus, Kälte und Hunger trotzend. Mojsej, 25, und Antonina, 37, sind Mitarbeiter der Leningrader Eremitage, einem der schönsten Kunstmuseen der Welt. Im Winter 1941/42 wird es zu ihrem letzten Zufluchtsort. Anfangs rezitieren sie Gedichte, erzählen sich das Märchen von der Schneekönigin, stellen zwei Rembrandt-Gemälde nach, die aus dem Museum evakuiert werden sollen. Als sie versuchen, sich an ein...
Sie weigern sich, im Keller Schutz zu suchen, und harren in der dunklen, zugigen Gemäldegalerie aus, Kälte und Hunger trotzend. Mojsej, 25, und Antonina, 37, sind Mitarbeiter der Leningrader Eremitage, einem der schönsten Kunstmuseen der Welt. Im Winter 1941/42 wird es zu ihrem letzten Zufluchtsort. Anfangs rezitieren sie Gedichte, erzählen sich das Märchen von der Schneekönigin, stellen zwei Rembrandt-Gemälde nach, die aus dem Museum evakuiert werden sollen. Als sie versuchen, sich an ein Lied zu erinnern, versagen ihre Stimmen. Das Lauschen in die Stille hinein, das wiederholte Rufen, Sichvergewissern, ob der andere noch da ist, das auf elementare Bruchstücke reduzierte Gespräch zweier Liebender, erweist sich am Ende als eine »Dokumentation aus Stimmen« authentischer Figuren, die in der Leningrader Blockade umgekommen sind.
Lebende Bilder heißt dieser zentrale Text des Bandes, dem zehn längere und kürzere Prosastücke vorangestellt sind. Alle kreisen sie um Sankt Petersburg als imaginären Ort, auch wenn sie in Lowell/Massachusetts, in San Francisco oder an einem Strom in Sibirien spielen und von Kindheit, erster Liebe und schmerzlichen Verlusten handeln.
Polina Barskovas lyrische Sprache ruft uns, gleichsam durch Raum und Zeit hindurch, als Zeugen mit an die Schauplätze und rückt jedes Erleben in die größere Geschichte ein. In dem Versuch, private Erinnerung und kulturelles Gedächtnis ineinander zu verweben, verweigert sie sich traditionellen Erzählformen – nicht programmatisch, sondern aus einer existenziellen Erfahrung heraus.
Galerie
Pablitos Morgenstunde
Von denen, die Schiffe mit falschen Leuchtfeuern anlocken und versenken
Gorky in Lowell
Modern Talking
Eine Uljanowa im August
Großmutters Welt
Kropotkinstraße
Der Knopf
Brüder
Die Brüder Druskin
Geschichte einer Irritation
Unvereinbare Temperamente
Längelang
(in diesen Momenten verließ ich das Haus)
Persephones Hain
Haarnadeln
Sestrorezk, Komarowo
1985
1991. (Ein Jahr vor seinem Tod)
Auflösung
Dona Flor und ihre Großmutter
Laubriss
Wo nisten die Stare, für die kein Starenkasten mehr frei war?
Duell der Geschichtenerzähler
Übersetztes Weiß
Kein Warmblüter
Ein Schlupfloch und JEMAND
Windstoß
Aufzeichnungen eines Ornithologen
Zilpzalp. Kleines Vogel-Abrakadabra
Glückliches Ende
Lebende Bilder
Ein dokumentarisches Märchen
Postscriptum
Olga Radetzkaja
Ich wollte alle sein
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Personen für Lebende Bilder
Polina Barskova
Polina Barskova, 1976 in Leningrad geboren, war ein literarisches Wunderkind und debütierte bereits als Achtjährige. Sie studierte Klassische Philologie in Sankt Petersburg, Slawistik in Berkeley und lehrt am Hampshire College in Amherst. Neben ihrem umfangreichen lyrischen Werk – acht Gedichtbände seit 1991 – widmet sie sich als Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin den Dichtern der Leningrader Blockade. Lebende Bilder, ihr erster Prosaband, wurde mit dem Andrej-Belyj-Preis ausgezeichnet. Sie lebt seit 1998 in den USA.
Polina Barskova, 1976 in Leningrad geboren, war ein literarisches Wunderkind und debütierte bereits als Achtjährige. Sie studierte Klassische...

