Der vom Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport vergebene Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur 2025 geht an den ukrainischen Autor Serhij Zhadan.
»Serhij Zhadan ist einer der prägnantesten Schriftsteller der europäischen Gegenwartsliteratur, der zur literarischen Stimme der Ukrainer:innen geworden ist. Seine Prosagedichte, freien Verse, Songtexte, Tagebucheinträge, Erzählungen und Romane bewegen sich entlang der aktuellen Geschichte der Ukraine und lassen Leser:innen tief ins Innere ihrer Bewohner:innen blicken. Serhij Zhadan gibt dem Schrecken des Krieges und der unsichtbaren, allumfassenden Angst eine literarische Sprache«, so Bundesminister für Kunst und Kultur und Vizekanzler Andreas Babler. »Er gibt den Menschen in der Ukraine ihre Stimme und ihre Individualität zurück, die sie im Angesicht des russischen Angriffskrieges zu verlieren drohen. Sein Werk bringt zur Sprache, wofür die Alltagssprache keine Worte findet. Es verfügt über jene literarische Kraft, die es braucht, um in Zeiten des Krieges und des Terrors Zeugnis abzulegen und Hoffnung zu spenden. Mein tiefer Respekt gilt dem Autor und Dichter, dem Menschen Serhij Zhadan, dem ich mich solidarisch verbunden fühle und gratuliere herzlich!«
»Serhij Zhadan entwickelt seine faszinierend-kunstvollen und dabei immer auch hochgradig lebendigen und vielstimmigen literarischen Räume vor geschichtlich klar erkennbaren Hintergründen. Die russische Annexion der Krim und anderer Gebiete der Ostukraine dominiert den Roman Internat (dt. 2018). Hier wird ein Krieg ohne Kriegserklärung geschildert, die Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Menschen sind desaströs. Mit dem Großangriff Russlands auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 hat sich das Leben und das Schreiben des Autors radikal verändert. Zhadan trat mit seiner Rockband zur Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung und seiner Armee an versteckten Orten auf und stellte sich selbst als Helfer hinter der Front dem Abwehrkampf zur Verfügung. In Form eines imaginären Tagebuchs hält er in dem Band Himmel über Charkiw (2022) seine damaligen Notizen und Aufzeichnungen fest, die etwa auch die Form von Social-Media-Postings angenommen hatten. Auch diese Literatur einer unmittelbaren und unverstellten Zeugenschaft hat im Westen großen Eindruck gemacht. Mitte des Jahres 2024 ist Zhadan dann selbst in ein Freiwilligen-Bataillon der ukrainischen Nationalgarde eingetreten und nimmt seither direkt am Kampf gegen die russischen Angreifer teil. Erst vor wenigen Monaten hat der Autor im Suhrkamp-Verlag, in dem sein literarisches Werk in deutscher Übersetzung erscheint, einen Gedichtband vorgelegt, der den Einschnitt vom 24. Februar 2022 als eine klaffende Wunde in der lyrischen Sprache zeigt. Es ist ein Zeichen der Hoffnung und das Merkmal eines erfolgreichen Widerstandes, dass der der Ukraine aufgezwungene Krieg hier die Stimme der Literatur aus den Angeln gehoben, aber letztlich doch nicht zum Schweigen gebracht hat«, so die Begründung der fünfköpfigen Jury bestehend aus Raphaela Edelbauer, Univ. Prof. Dr. Klaus Kastberger, Dr. Alexander Potyka, Klaus Seufer-Wasserthal und Mag.a Anne-Catherine Simon.
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung gefunden hat, was durch Übersetzungen dokumentiert sein muss. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen.
Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung durch Vizekanzler und Bundesminister für Kunst und Kultur Andreas Babler findet am 25. Juli 2025 im Rahmen eines Festaktes während der Salzburger Festspiele statt. Zuletzt ging der Preis an: Joanna Bator, Marie NDiaye, Ali Smith, László Krasznahorkai, Drago Jančar, Michel Houellebecq und Zadie Smith.