Die Lage in Belarus, der »letzten Diktatur Europas«, eskaliert zusehends. Die Repressionen gegen die Protestierenden, die mit bewunderungswürdigem Mut für eine demokratische und rechtsstaatliche Zukunft ihres Landes kämpfen, werden immer brutaler. Von den sieben Mitgliedern des Koordinationsrates, dem leitenden Gremium der Protestbewegung, wurden zwei des Landes verwiesen und vier verhaftet, darunter Maria Kolesnikowa, die am helllichten Tag entführt wurde und sich ihrer Zwangsexilierung in die Ukraine widersetzt hat.
Auch die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, das letzte Ratsmitglied in Freiheit, wird bedroht. Nur die Anwesenheit von Journalist:innen und europäischer Diplomat:innen hat verhindert, dass sie verhaftet wurde. Jüngst musste sie nun nach Berlin ausreisen. Sie ist als einziges Mitglied des Führungsgremiums des oppositionellen Koordinationsrats noch auf freiem Fuß.
Seit Beginn der Proteste wurden in Belarus mindestens 26 000 Bürger:innen festgenommen, das sind etwa 0,3% der erwachsenen Bevölkerung. (In Deutschland wären dies 249 000 Personen.) Der ausländischen Presse wurde die Akkreditierung entzogen, die Berichterstattung wird massiv behindert. Seit Ende Oktober dürfen die Sicherheitsorgane »tödliche Waffen« einsetzen. Das Strafrecht wurde verschärft, den friedlich Protestierenden drohen nicht mehr Tage, sondern Monate und Jahre der Haft. Das Regime lässt Konten einfrieren, auf die Gelder des Belarus-Solidaritätsfonds eingegangen waren.
Am 12. November erlag der 31-jährige Roman Bondarenko den Kopfverletzungen, die ihm maskierte Schläger zugefügt hatten. Die Trauerkundgebung zu seinem Gedenken am Sonntag danach wurde brutal aufgelöst.
Die Exil-Opposition in Vilnius appelliert an die EU und fordert: weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Lukaschenko und Vertreter des Machtapparats, die Schaffung eines humanitären Korridors für Verwundete, visumsfreie Einreise in die EU, Solidarität und Unterstützung seitens der Medien, Einsetzung eines internationalen Tribunals.
Die Menschen, die noch immer im ganzen Land für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gehen, nehmen ein hohes Risiko in Kauf. Gewalt gegen friedlich Protestierende und Andersdenkende bleibt in Belarus straflos. Solange sich das nicht ändert, dürfen wir sie nicht aus den Augen lassen.
(Katharina Raabe, Janika Rüter: Lektorat Osteuropa)