Friederike Mayröcker lesen: 5 Buchtipps zum Einstieg

Beginnen Sie Ihre Lektüre mit den letzten Gedichten von Friederike Mayröcker: Nach ihrem 80. Geburtstag im Jahr 2004 entschloss sich die Dichterin, noch einmal in eine ganz neue Richtung aufzubrechen. Nach und nach entwickelte sich so eine eigene Form, der sie den Namen »Proëm« gab – lyrische Erleuchtung und hellwache Weltbeobachtung, changierend zwischen Kurzprosa und Gedicht. Zu ihrem erklärten Ziel wurde es, schreibend den Tod, ihren erbitterten Feind, auf Distanz zu halten. Friederike Mayröcker tat es mit ungeahnter Produktivität und überbordendem Farbenreichtum, indem sie ihre Liebe zum Leben heraufbeschwor: In Erinnerungen an ihre wechselvolle Kindheit im Wien der Zwanziger- und Dreißigerjahre, an ihre Jahrzehnte an der Seite von Ernst Jandl, an zahllose Begegnungen mit Menschen, Kunstwerken und Musik. Dieser Band versammelt Friederike Mayröckers komplettes lyrisches Spätwerk bis zu ihrem allerletzten, 2021 entstandenen Proëm zusammen.

Larifari. Ein konfuses Buch ist das literarische Debüt von Friederike Mayröcker. Seinen Titel hat er vom gleichnamigen Kurztext, der das Buch beschließt. In der Bearbeitung des vielfach ausgezeichneten Comiczeichners und Illustrators Nicolas Mahler geschieht Spektakuläres mit dem 1956 Erstling Mayröckers: Die einzelnen Sätze dieses Textes gehen Verbindungen ein mit jeweils einer Passage aus Mayröckers riesigem Gesamtwerk und vermitteln so einen vielfältigen, kurzweiligen wie repräsentativen Einblick in das Jahrhundertwerk der österreichischen Autorin.

Beginnen Sie Ihre Mayröcker-Lektüre mit ihrem letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Prosawerk: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete erschien im Sommer 2020, ein knappes Jahr vor ihrem Tod im Juni 2021, und lässt keine Zweifel an dem, was Mayröcker zufolge Tag für Tag zu tun ist: hellwach und neugierig auf die Welt blicken und ihr eine Kunst abgewinnen, die Wörter in Sternschnuppen verwandelt und die Sprache selbst als einen schier unerschöpflichen poetischen Zauberkasten begreift: »meine Texte entstehen durch sich fortpflanzende Augen«, so eines der Geheimnisse, das die Wiener Dichterin ihren Leser:innen preisgibt.

Nach dem Tod ihres Schreib- und Lebensgefährten Ernst Jandl hat Friederike Mayröcker Erinnerungen und Träume, Gespräche und Zitate, Eindrücke und Beobachtungen auf Notizzetteln gesammelt, hat ihren Text geschüttelt und den fruchtbaren Augenblick abgepaßt, da Schreiben und Ernten in eins und die Wörter und Sätze wie reife Früchte zu Papier fallen. Entstanden ist eine poetische »Ausschweifung des Gedächtnisses«, die noch die armseligsten und vergänglichsten Dinge in »Magie Partikelchen« verwandelt und sie so bewahrt: »herzhermetisch« geborgen im Innern der Sprache. Und ich schüttelte einen Liebling ist ein bewegendes Buch über die Kraft der Trauer, der Liebe und der Dichtung: Abschied und Wiederkunft in einem.

Seit den späten Dreißigerjahren knüpfte Friederike Mayröcker in ihren Gedichten an einem magischen Sprachteppich. Unermüdlich erprobte die Dichterin die Übersetzbarkeit von Materie in Sprache, wagt sich immer neu durch unerschlossene Schichten. Gesehenes, Erlebtes, Erfundenes, im Geiste Erlebtes und Geträumtes – alles findet Eingang ins Textgewebe. Wortneuschöpfungen stehen neben Fremdzitaten und Selbstverfremdungen, Spuren ihrer Auseinandersetzung mit Werken von Kollegen neben solchen ihres Umgangs mit Malerei und Musik – in allem sprach sich eine ungestüme Wahrnehmungskraft aus, ein Abtasten der Welt, das nichts ausschließt, aufs Ganze geht.
Dieser von Marcel Beyer herausgegebene Band präsentiert sämtliche Gedichte der Autorin von 1939, als sie mit dem Schreiben begann, bis kurz vor ihrem 80. Geburtstag im Jahr 2003.