Friederike Mayröcker: Bücher und Leben

Friederike Mayröcker

Die Grande Dame der österreichischen Avantgarde hat die Poesie mit einer Radikalität zum Lebensprinzip erhoben wie kaum eine andere Dichterin unserer Zeit.«

Deutschlandfunk
Sie war eine der großen Dichterinnen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Immer wieder wurde sie für den Literaturnobelpreis ins Gespräch gebracht: Erfahren Sie mehr über Friederike Mayröcker, deren Geburtstag sich am 20. Dezember 2024 zum 100. Mal jährt.

Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann Mayröcker mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten. Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine enge Freundschaft verband, später wurde sie zu seiner Lebensgefährtin. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift Plan erfolgte 1956 Mayröckers erste Buchveröffentlichung. Es folgten Lyrik und Prosa, Erzählungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte. Für ihr vielseitiges und umfangreiches Werk wurde Mayröcker mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen geehrt. Am 4. Juni 2021 starb Friederike Mayröcker in ihrer Heimatstadt Wien.

BELIEBTE WERKE VON FRIEDERIKE MAYRÖCKER

Liebesgedichte

8,00 €

Larifari

15,00 €

Und ich schüttelte einen Liebling

12,00 €

brütt oder Die seufzenden Gärten

12,00 €

fleurs

22,95 €

Gesammelte Gedichte

38,00 €

Das Herzzerreißende der Dinge

18,00 €

Gesammelte Gedichte

38,00 €

ich sitze nur GRAUSAM da

17,95 €

Reise durch die Nacht

16,00 €

Requiem für Ernst Jandl

14,00 €

Cahier

22,00 €

da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete

24,00 €

Die Abschiede

16,00 €

ich bin in der Anstalt

24,00 €

Die kommunizierenden Gefäße

14,00 €

Benachbarte Metalle

16,00 €

Magische Blätter III

5,00 €

vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannwahnsinn

14,90 €
8,00 €
15,00 €
12,00 €
12,00 €

DAS LYRISCHE SPÄTWERK IN EINEM BAND

Gesammelte Gedichte
eBook 32,99 €
Als Friederike Mayröcker 2004 den 80. Geburtstag feierte und ihre Gesammelten Gedichte 1939-2003 erschienen waren, entschloss sie sich, noch einmal in eine ganz neue Richtung aufzubrechen. Nach und nach entwickelte sich so eine eigene Form, der sie den Namen »Proëm« gab – lyrische Erleuchtung und hellwache Weltbeobachtung, changierend zwischen Kurzprosa und Gedicht. Zu ihrem erklärten Ziel wurde es, schreibend den Tod, ihren erbitterten Feind, auf Distanz zu halten. Friederike Mayröcker tat es mit ungeahnter Produktivität und überbordendem Farbenreichtum, indem sie ihre Liebe zum Leben heraufbeschwor: In Erinnerungen an ihre wechselvolle Kindheit im Wien der zwanziger und dreißiger Jahre, an ihre Jahrzehnte an der Seite von Ernst Jandl, an zahllose Begegnungen mit Menschen, Kunstwerken und Musik. Dem Wechsel der Jahreszeiten folgte sie aufmerksamer denn je, und mit ihrer Sprachmacht verstand sie es, eine Blume auf dem Fensterbrett gegenüber zum Zentrum des Universums werden zu lassen. Der vorliegende Band knüpft an die Gesammelten Gedichte 1939-2003 (2004) an und trägt Friederike Mayröckers lyrisches Spätwerk bis zu ihrem allerletzten, 2021 entstandenen Proëm zusammen.

MARCEL BEYER ÜBER FRIEDERIKE MAYRÖCKER


AUTOR:INNEN ÜBER FRIEDERIKE MAYRÖCKER


»Allseits bekannt und doch ziemlich unerfasst, sieht das reichhaltige und vielfältige Werk Friederike Mayröckers, das das 20. und 21. Jahrhundert und mehrere ästhetische Ären umspannt, einer Neulektüre sowie der fordernden Lektüre durch Übersetzungen in andere Sprachen entgegen.«

Ann Cotten
 

»Friederike Mayröcker hat den Ozean in ihrem Zimmer zu teilen vermocht, unentwegt, stetig und diskret: Auf einem treibenden Schreibtisch (für die wissen), und ohne zu verschwimmen.«

Oswald Egger
 

Friederike Mayröcker

Wie schön dass wir so viel
von ihr zu lesen hatten
So mancher Baum in Wien
wirft heute ihren Schatten

Clemens J. Setz
 

»Mein erster Gedichtband von Friederike Mayröcker war Notizen auf einem Kamel.
Ich war 13, und ich weiß noch, dass ich dachte: ›So dichte Gedichte, aber kein Wort zu viel – wie?‹
Dieses Erstaunen ist bis heute geblieben.«

Sirka Elspaß
 

Mayröckers Wecker

von Marion Poschmann

 

»Das umgekehrte Erhabene« – so definiert Jean Paul, einer von Mayröckers langjährigen geistigen Begleitern, in seiner Vorschule der Ästhetik den Humor. Beim Gefühl des Erhabenen trifft das endliche Vermögen des Subjekts auf das Unendliche, und das Subjekt kann ideell über sich hinauswachsen. Das Komische entsteht aus der entgegengesetzten Bewegung: Das Unendliche in Form einer Idee, eines Anspruchs, einer Pathosformel scheitert an der Enge der Verhältnisse, an den irdischen Realitäten, an der Begrenztheit eines Einzelnen. Das umgekehrte Erhabene ist eine Empfindung von Disparatheit, ein gemischtes Gefühl aus Überlegenheit und Unterlegenheit, aus Schwung und Scham, »so daß also«, folgert Jean Paul, »das Komische, wie das Erhabene, nie im Objekte wohnt, sondern im Subjekte.«

 

Friederike Mayröcker sah ich zum ersten Mal in Basel auf einem feministischen Symposion. Ich war mit meiner Philosophinnengruppe dorthin gefahren, wir checkten in der Jugendherberge ein, kauften auf dem Weihnachtsmarkt ausgefallene Gewürze, hörten Klanginstallationen und sahen autoreferentielle Performances. Dann ging ich zu Mayröckers Lesung, eher zufällig, weil ich mich für Literatur zuständiger fühlte als für Musik.
Eine ältere Dame las mit monotoner Stimme Gedichte, langsam und deutlich. Ich verstand kein Wort. Es musste sich um etwas Postmodernes, Avantgardistisches handeln. Ich ging zum Büchertisch und kaufte das Buch.
Dieses Buch lag mehrere Jahre unangetastet in meinem Regal. Mich irritierte, dass es ein Blumenfoto im Stil eines Kalenderblattes auf dem Cover trug. Mir schien, dass dieses Foto den Inhalt verharmloste, dass es die Käuferin in Sicherheit wiegen sollte.

Später schrieb ich eine Magisterarbeit über Friederike Mayröcker. Es gab noch nicht viel Sekundärliteratur. Weil ich das Bedürfnis hatte, mich auf etwas zu stützen, oder wenigstens gründlich zu sein, fuhr ich nach Wien, um im Mayröcker-Archiv zu recherchieren und die Autorin persönlich zu befragen. Das alles wäre für meine Arbeit nicht nötig gewesen. Es war ein Vorwand für den Wunsch, Verbindung aufzunehmen, mit einem Werk und einer Person auf andere Weise als auf wissenschaftliche in Kontakt zu kommen.
Das Mayröcker-Archiv befand sich damals im Wiener Rathaus und bestand aus Pappkartons, die Manuskripte, Notizen, Vorarbeiten enthielten. Eine seltsame Höflichkeit umgab dieses Archiv. Zum einen die prunkende Architektur, eine würdevoll-abweisende Fassade. Zum anderen wachte ein Pförtner, an dem jeder vorbeimusste, bei dem man sich anmeldete, dem ich eine Mayröckersche Einladung vorwies. Der Pförtner studierte die Einladung gründlich. Er war überaus zuvorkommend, er sprach in gezierten Sätzen auf mich ein, welche Freude für das Archiv, ein Gast aus dem Ausland, etc. Er versuchte, wie man das in Wien macht, mich mit einem Titel anzusprechen, den ich nicht trug. Es fiel mir schwer, auf diesen Ton angemessen zu reagieren, denn der Pförtner musterte mich mit auffällig-unauffälliger Skepsis. Eine schlechtgekleidete Studentin, zudem aus dem Ausland. Hätte er zu entscheiden, keinesfalls würde man sie einlassen. Leider gab es diese Einladung, und es war wie auf der russischen Botschaft: lag eine ordentliche Einladung vor, konnte man nichts machen. Er öffnete mir ausgesucht höflich die Tür zu den Pappkartons.
Ich schrieb über Die Abschiede und sichtete die verschiedenen Fassungen, die verworfenen Passagen, die Materialien, die offenbar Keimzellen gewesen waren: Postkarten, auf denen die Autorin Sätze unterstrichen hatte, Flugblätter, Programmhefte, an ausgewählten Stellen markierter Papierkram, und vor allem winzige Schnipsel, auf denen ein paar flüchtig hingeworfene Worte standen, Verbaleinfälle, Traumnotizen, Einzelworte, die man im fertigen Buch als Leitmotive wiederfinden konnte.
Die Privatheit all dieser Zettel frappierte mich. Noch erstaunlicher aber war, dass man ihnen eine solche Wichtigkeit beigemessen hatte. Eine weiße Serviette mit einem hingekritzelten Stenogramm, eine Briefmarke mit einem Ausrufezeichen auf der Rückseite, ein mehrfach beschriebener Umschlag: all das war ganz offensichtlich schon Kunst. Die Kunst kam nicht erst später hinzu, mit dem Druck des Buches, die Kunst war eine Lebensweise. Es kam nicht darauf an, hier Arbeitsschritte zu entschlüsseln oder flüchtig aufgemalte Worte in einem Textzusammenhang mit Akribie wiederzufinden. Diese sorgsam gehorteten Zettel, Schnipsel, Heiligenbildchen, die hier zu musealen Ehren kamen, waren etwas wie Duchamps Pissoir, ein Witz, wie er surrealer nicht sein konnte.

Zu meinem Termin in der Zentagasse ging ich mit dem unguten Gefühl, eigentlich keine Fragen zu haben außer solchen, die mich selbst betrafen, und einer freundlichen, vielbeschäftigten Frau die Zeit zu stehlen.
Mich wunderte, dass die Schriftstellerin in einer gewöhnlichen Straße wohnte. Einer Straße, die betont unspezifisch wirkte, während ich wohl davon ausgegangen war, man müsse in diesen Häuserzeilen den Flügelschlag des Pegasus deutlicher vernehmen als anderswo, und das müsse sich, selbstverständlich, auch in etwas Sichtbarem, Spürbarem, etwas Unkonventionellem niederschlagen. Aber man konnte das Dichterinnenhaus von außen nicht erkennen.
Friederike Mayröcker empfing mich großmütterlich. Ich hatte ihr Blumen gekauft, sie mir Petits Fours. Sie räumte zwei Stühle von Papierstapeln frei, sie stellte mir eine Kaffeetasse auf, sie beantwortete meine Fragen mit Engelsgeduld. Die legendäre, völlig mit Papieren verschüttete Wohnung. Die schwarz gekleidete, ernste, vergeistigte Schriftstellerin. Ich stellte maximal sachliche Fragen und schrieb die Antworten mit. Ich begann mich etwas zu entspannen. Plötzlich klingelte es. Laut. Schrill. Ein enormer mechanischer Wecker. »Ihre Zeit ist um«, sagt Mayröcker zu mir.

Hätte Jean Paul gelacht? Hätte Duchamp gelacht? Hätte ich lachen sollen? Ich verließ fluchtartig das Haus. Draußen eine Straßenbahn, ein Supermarkt, alles normal. Im Nachhinein lache ich.


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Diese Werke von Friederike Mayröcker sollte man kennen.
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Am 20. Dezember 2024 jährt sich der Geburtstag der österreichischen Autorin zum 100. Mal.
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»Die Grande Dame der österreichischen Avantgarde hat die Poesie mit einer Radikalität zum Lebensprinzip erhoben wie kaum eine andere Dichterin unserer Zeit.«
Günter Kaindlstorfer, Deutschlandfunk
»Friederike Mayröcker verzaubert, weil sie Sprache und Leben verbindet.«
DIE ZEIT
»So wie Friederike Mayröcker die Welt liebt, voller Sprachlust und Hingabe, möchte man geliebt werden.«
Jörg Magenau, Süddeutsche Zeitung
»Die Grande Dame der österreichischen Avantgarde hat die Poesie mit einer Radikalität zum Lebensprinzip erhoben wie kaum eine andere Dichterin unserer Zeit.«
Günter Kaindlstorfer, Deutschlandfunk
»Friederike Mayröcker verzaubert, weil sie Sprache und Leben verbindet.«
DIE ZEIT
»So wie Friederike Mayröcker die Welt liebt, voller Sprachlust und Hingabe, möchte man geliebt werden.«
Jörg Magenau, Süddeutsche Zeitung


Friederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten.

Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine...

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