Zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich

Beitrag zu Zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich
Am 5. September 2024 jährt sich der Geburtstag von Caspar David Friedrich zum 250. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums beantworten Boris von Brauchitsch (Caspar David Friedrich. Eine Biografie) und Kia Vahland (Caspar David Friedrich und der weite Horizont) Fragen zu einem der bekanntesten Künstler der deutschen Romantik und geben Einblicke in sein Leben und sein Werk.

Fragen an Boris von Brauchitsch

Ist Caspar David Friedrich der melancholische Eremit, für den wir ihn halten?

Melancholisch ja, Eremit nur sehr bedingt. Er war wohl der Ansicht, dass gute Kunst nur aus sich selbst heraus, am besten in konzentrierter Einsamkeit entstehen kann. Insofern sah er Kunstakademien und Epigonentum kritisch. Auf seine Wanderschaften ging er allerdings gern in (guter) Gesellschaft und bei geselligen Abenden konnte man Zeuge seines Humors werden. Und geheiratet hat er auch, zur Überraschung mancher seiner Bekannten.
 

Goethe äußert sich abfällig über die Bilder von Caspar David Friedrich – wie lässt sich ihre Beziehung zueinander beschreiben?

Selbstverständlich war Friedrich geschmeichelt, als Goethe ihm zunächst einen Kunstpreis für zwei Sepia-Blätter zuschanzte. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dichter als aufgeklärter Klassiker mit der gelegentlich diffus-dräuenden Romantik so seine Schwierigkeiten hatte. Außerdem tat Goethe bekanntlich alles, um den Tod zu verdrängen – er blieb ja sogar der Beerdigung seiner eigenen Frau fern. Dass er bei seinem Besuch in Friedrichs Atelier als erstes ein großes Gemälde eines verlassenen Friedhofs zu sehen bekam, stieß bei ihm insofern auf wenig Begeisterung. Friedrich seinerseits empfand es als doppelte Zumutung, dass Goethe von ihm Darstellungen zu einer wissenschaftlichen Abhandlung über Wolken wünschte. Zum einen fühlte er sich als Künstler geringgeschätzt, sah er sich doch nicht als Handlanger, bei dem man Illustrationen bestellen konnte. Zum andern waren ihm Wolken in ihrer unendlichen Vielfältigkeit heilig, sie zu entzaubern, indem man sie kategorisierte und schematisierte, war ihm zuwider. Der berühmte Goethe wiederum empfand die Ablehnung seines Auftrags als Affront. Es prallten hier einfach zwei Welten aufeinander.
 

Was hat Sie im Zuge Ihrer Recherche zum Buch besonders überrascht?

Sein künstlerisches Nachleben. Bei einem Romantiker wie William Turner weiß man, dass er Impressionisten, Futuristen und Abstrakte beeinflusst hat, bei Friedrich, der nach seinem Tod erst einmal ein halbes Jahrhundert vergessen war, scheint es kunsthistorisch zunächst einmal keine Nachfolger zu geben. Und doch ist sein Geist von Walt Disney bis Andrej Tarkowski sehr präsent.

Über das Leben und Werk des bedeutendsten Malers der deutschen Romantik

Caspar David Friedrich
Ein kindliches Gemüt, gepaart mit tiefer Melancholie, ein etwas verschrobener Außenseiter, ein politisch unbequemer Geist: Caspar David Friedrich – geboren in Greifswald, bereits zu Lebzeiten umstritten, nach seinem Tod für ein halbes Jahrhundert vergessen, heute der bedeutendste Maler der deutschen Romantik.

In seiner prägnanten Biografie erzählt Boris von Brauchitsch, wie Caspar David Friedrich die Malerei revolutionierte, entschieden mit dem Kunstverständnis seiner Zeitgenossen brach und mit seinen rätselhaften Bildern zu einem prägenden Vorläufer der Moderne wurde. Dabei zeigt er überraschende Zusammenhänge auf, nimmt die Wiederentdeckung und enthusiastische Rezeption des Malers in den Blick und macht anschaulich, warum die Faszination seines Werkes gerade heute – in Zeiten von Wachstumsskepsis und einer Rückbesinnung auf die Kräfte einer zusehends bedrohten Natur – eine besondere Wirkung entfaltet.

»Der Mönch am Meer« von Caspar David FriedrichDer Mönch am Meer

»Das Eismeer« von Caspar David FriedrichDas Eismeer


Fragen an Kia Vahland

Welches Verhältnis von Natur und Religion offenbart sich in den Bildern Caspar David Friedrichs?

Für den gläubigen Protestanten Caspar David Friedrich ist Malerei Gottesdienst; er feiert in seinen Zeichnungen und Gemälden die Schöpfung. Das Schöne dabei ist, dass er die Natur, die er erlebt und zeigt, weder verklärt noch vereinnahmt, weder dominiert noch fürchtet. Er respektiert sie einfach und zeigt uns mit ganz einfachen Mitteln, wie das geht. Von dieser Horizonterweiterung erzählt mein Buch.
 

Wie konnte im Nationalsozialismus und in der DDR gleichermaßen versucht werden, das Werk Caspar David Friedrichs zu vereinnahmen?

Wie alle großen Künstlerinnen und Künstler, so gibt auch Caspar David Friedrich keine Interpretation vor. Sein Werk ist vielseitig und bedeutungsoffen. Posthumer Missbrauch ist damit nicht ausgeschlossen. Doch nichts von dem völkischen Nationalismus und dem Hass der Nationalsozialisten ist in Friedrichs Kunst angelegt. Im Gegenteil: Während Diktaturen sich empathiefreie, überangepasste Heroen wünschen, appelliert der Romantiker Friedrich an Menschlichkeit, Feingefühl und die Demut vor dem Göttlichen. Ihm ist das Individuum wichtig. Auch in der DDR wäre er politisch und persönlich wohl kaum zurechtgekommen.
 

Weshalb sprechen uns die Bilder Caspar David Friedrichs noch heute an?

Die Romantiker erlebten nach der Französischen Revolution rasante politische und soziale Veränderungen. Wenn die Zeiten hart werden, ist es eine Kunst, nicht selbst zu verhärten und sich nicht überrollen zu lassen von den Ereignissen, sondern offen und sensibel zu bleiben und den eigenen Eindrücken und Empfindungen zu trauen. Das gelang Caspar David Friedrich meisterlich. Er schont sein Publikum dabei nicht, sondern konfrontiert es radikal mit sich selbst. Mich interessieren in meinem Buch die Verbindungen zwischen Friedrichs Epoche und unserer – und auch die Unterschiede.
 

Was hat Sie im Zuge Ihrer Recherche zum Buch besonders überrascht?

Mein Buch ist szenisch geschrieben, ich tauche ein in Friedrichs Zeit und erzähle von seiner Persönlichkeit und seinen künstlerischen Überzeugungen und Arbeitsweisen. Ein weiteres Kapitel handelt von den bahnbrechenden Erkenntnissen der jüngeren Forschung. Und diese widerspricht allen Friedrich-Klischees: Ihm ging es keineswegs nur um reduzierte, dunkle Kompositionen, sondern im Gegenteil war er ein Farbvirtuose, der seiner Palette alle Töne des Himmels, des Meers und der Berge entlocken konnte. Ausgerechnet der ewige Zweifler Friedrich lehrt so eine neue Leichtigkeit.

Eine Neuentdeckung von Caspar David Friedrichs Meisterwerken

Caspar David Friedrich und der weite Horizont
Caspar David Friedrich macht es seinen Betrachterinnen und Betrachtern nicht leicht. Immer steht dem Blick etwas im Weg: eine Rückenfigur, ein Stein, eine Baumwurzel. Mit seiner Kunst der Gegensätze wurde der Romantiker aus Greifswald zum Sehnsuchtsmaler vor allem vieler Deutscher, etwa mit seinem »Wanderer über dem Nebelmeer« (um 1818). Doch die Malerei dieses eigensinnigen Mannes ist nicht plakativ und düster, sondern subtil, farben- und ideenreich: eine Feier der Natur und innerer Landschaften. Zu Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag lädt die Kunsthistorikerin und Sachbuch-Autorin Kia Vahland ein, seine Meisterwerke neu zu entdecken. Ihr mitreißend erzähltes Buch führt durch Leben, Werk und Zeit des Malers und Zeichners und erklärt die erstaunlichen Ergebnisse der jüngeren Forschung.
ZUR KUNST-KOLUMNE VON KIA VAHLAND

»Auf dem Segler« von Caspar David FriedrichAuf dem Segler

»Kreidefelsen auf Rügen« von Caspar David FriedrichKreidefelsen auf Rügen

WEITERE INFORMATIONEN ZUM 250. GEBURTSTAG VON CASPAR DAVID FRIEDRICH

MEHR ENTDECKEN: ZUM 250. GEBURTSTAG VON WILLIAM TURNER AM 23. APRIL 2025


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Die Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin Dr. Kia Vahland ist verantwortliche Redakteurin für Kultur und Geisteswissenschaften im Ressort Meinung der Süddeutschen Zeitung. Sie ist Autorin von Büchern über Sebastiano del Piombo, Michelangelo und Raffael sowie zahlreicher kunsthistorischer Essays, unter anderem in Geo Epoche. Kia Vahland unterrichtet am Kunsthistorischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Deutschen Journalistenschule; sie war Jurysprecherin 2020 und 2021 des ersten Deutschen Sachbuchpreises. Ihre eigene Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Michael-Althen-Preis für Kritik 2016 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin Dr. Kia Vahland ist verantwortliche Redakteurin für Kultur und Geisteswissenschaften im Ressort Meinung der...
Boris von Brauchitsch, geboren 1963 in Aachen, ist Kunsthistoriker, promovierte über den Fotografen Herbert List und verfasste unter anderem prägnante Biografien herausragender Künstlerpersönlichkeiten (Caravaggio, Leonardo da Vinci, Adolphe de Meyer, Gabriele Münter u. a.). Er arbeitet als Autor, Fotograf und Kurator und lebt in Berlin und Las Palmas.
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