Ist Caspar David Friedrich der melancholische Eremit, für den wir ihn halten?
Melancholisch ja, Eremit nur sehr bedingt. Er war wohl der Ansicht, dass gute Kunst nur aus sich selbst heraus, am besten in konzentrierter Einsamkeit entstehen kann. Insofern sah er Kunstakademien und Epigonentum kritisch. Auf seine Wanderschaften ging er allerdings gern in (guter) Gesellschaft und bei geselligen Abenden konnte man Zeuge seines Humors werden. Und geheiratet hat er auch, zur Überraschung mancher seiner Bekannten.
Goethe äußert sich abfällig über die Bilder von Caspar David Friedrich – wie lässt sich ihre Beziehung zueinander beschreiben?
Selbstverständlich war Friedrich geschmeichelt, als Goethe ihm zunächst einen Kunstpreis für zwei Sepia-Blätter zuschanzte. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dichter als aufgeklärter Klassiker mit der gelegentlich diffus-dräuenden Romantik so seine Schwierigkeiten hatte. Außerdem tat Goethe bekanntlich alles, um den Tod zu verdrängen – er blieb ja sogar der Beerdigung seiner eigenen Frau fern. Dass er bei seinem Besuch in Friedrichs Atelier als erstes ein großes Gemälde eines verlassenen Friedhofs zu sehen bekam, stieß bei ihm insofern auf wenig Begeisterung. Friedrich seinerseits empfand es als doppelte Zumutung, dass Goethe von ihm Darstellungen zu einer wissenschaftlichen Abhandlung über Wolken wünschte. Zum einen fühlte er sich als Künstler geringgeschätzt, sah er sich doch nicht als Handlanger, bei dem man Illustrationen bestellen konnte. Zum andern waren ihm Wolken in ihrer unendlichen Vielfältigkeit heilig, sie zu entzaubern, indem man sie kategorisierte und schematisierte, war ihm zuwider. Der berühmte Goethe wiederum empfand die Ablehnung seines Auftrags als Affront. Es prallten hier einfach zwei Welten aufeinander.
Was hat Sie im Zuge Ihrer Recherche zum Buch besonders überrascht?
Sein künstlerisches Nachleben. Bei einem Romantiker wie William Turner weiß man, dass er Impressionisten, Futuristen und Abstrakte beeinflusst hat, bei Friedrich, der nach seinem Tod erst einmal ein halbes Jahrhundert vergessen war, scheint es kunsthistorisch zunächst einmal keine Nachfolger zu geben. Und doch ist sein Geist von Walt Disney bis Andrej Tarkowski sehr präsent.