Auf Moränen

Gedichte
Auf Moränen
Gedichte

»Wie ein Buchstabe, / aufgerissenes Auge, nicht von dem Buch wissen kann, / das ihn enthält, / kann ich nicht lesen, wo ich bin.«

Sie stellen sich den Fragen nach der eigenen Existenz: der Bausoldat, der sich in der monotonen Plackerei auf Rügen zwischen »Gleichschritt« und »Normzeit« abhanden zu kommen droht; der Anpassungsvirtuose Erich Mielke, für den das Wort Ich ein »bloßes Stochern im Dunkel« ist; oder Apostel Paulus, der auf das Kommende vertraut und das Hier...

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»Wie ein Buchstabe, / aufgerissenes Auge, nicht von dem Buch wissen kann, / das ihn enthält, / kann ich nicht lesen, wo ich bin.«

Sie stellen sich den Fragen nach der eigenen Existenz: der Bausoldat, der sich in der monotonen Plackerei auf Rügen zwischen »Gleichschritt« und »Normzeit« abhanden zu kommen droht; der Anpassungsvirtuose Erich Mielke, für den das Wort Ich ein »bloßes Stochern im Dunkel« ist; oder Apostel Paulus, der auf das Kommende vertraut und das Hier und Jetzt als Zwischenzustand begreift.

Auf Moränen erklingen diese Stimmen, unter ihnen ein Berg von Erlebnissen und Geschichte, Gedankengeröll, das sich übereinanderschiebt. Christian Lehnert spürt in seinen Gedichtzyklen tastend, drängend den Identitätsfragen nach, wie sie vom Urchristentum bis in die Gegenwart reflektiert werden, und entfaltet »ein Wortgewebe voll dunklem Glanz« (Gerhard Kaiser).

 

Ringe breiten sich über die Wasserfläche aus
Gezeitenschaum
Das Schweigen
Eine Folie, in den Novemberregen gespannt
In das Zimmer, wie mit Stahlbetten eingerüstet
Ein Körper in der unteren Bettetage
Die Müdigkeit, eine Möwe
Nachts, die schleichende Reduktion der Erzählung
Der erste Tagfrost, die Augen verschneien
Die Zeit, von keiner Erinnerung aufgehalten
Wie Tropfen in ein Reagenzglas rinnen
Im Morgengrauen kreisen Möwen über der Kolonne
Die Spitzhacke im Lehm, die Flutlichtlampe
Das Straßenstück versackt in einem Bauloch
Schlaflos: Nur nicht bewegen
Sie hocken zu zehnt am Boden
Schnaken surren gegen die Neonröhre
Zusammengebrochene Übertragung
Küstenwachtboote an der Grenze
Zweite Tafel: Wir standen im Scheinwerferlicht
Die Stahltür wurde verschlossen
Zurück ins schwelende Dunkel
Flaumfedern, erstickte Schreie
Das Gesetz hieß Warten
Er schaute auf den Appellplatz, zählte die Krähen
Zitternder Zeiger: der Druck fällt ab
Der Postenring zieht sich wie der Muskelschlauch
Sie haben ihn aus der Zelle geholt
Wir haben die Macht, Lücken zu ersetzen …
Die Sätze kamen und gingen
Ist es ein Ausweg
Der Vateroffizier
Es regnete drei Tage
Der Regen und ein Geräusch aus der Tiefe der Erde
Bleibst du stumm, wenn dein Gesicht
Von außen, der Lichtschacht
Eins: »Die Nacht trommelt gegen die Augen
Du darfst heraus, aber es gelingt dir nicht?
Neun: »Genossen, was ist, wenn wir nicht verstehen
Plötzlich weiß er nicht mehr, was ein Name ist?
Dreizehn: »Von außen, der Lichtschacht
Einundzwanzig: »Morgen, am einundzwanzigsten Dezember
Fünfundzwanzig: »Verworrenes Gangsystem
Zweiunddreißig: »Den Toten aber geben wir dies mit
Vierunddreißig: »Als in den Maitagen
Stell dir vor: Am Morgen versuchst du ohne Genehmigung
Vierzig: »Glasziegel, abgedichteter
Sechsundvierzig: »Hinter der Stahltür riecht es
Siebenundvierzig: »Das Wort Stahltür
Achtundvierzig: »Mielke ist ein harter Arbeiter
Vierundfünfzig: »Wir sind verpflichtet, daß wir einheitlich
Punkt und Punkt, Strich
Sechsundfünfzig: »Ich erwache immer öfter
Einundsechzig: »Von sich abgeschnitten
Vierundsechzig: »Die Schnabeltasse dringt
Siebzig: »Die Schnabeltasse dringt
Vierundsiebzig: »Der Nebel lichtet sich, und es ist still
Erste Vigil
Zweite Vigil
Dritte Vigil
Vierte Vigil
Fünfte Vigil
Sechste Vigil
Siebente Vigil
Achte Vigil
Neunte Vigil
Zehnte Vigil
Elfte Vigil
Zwölfte Vigil
Dreizehnte Vigil
Vierzehnte Vigil
Fünfzehnte Vigil
Sechzehnte Vigil
Siebzehnte Vigil
Achtzehnte Vigil
Neunzehnte Vigil
Zwanzigste Vigil
Inhaltsverzeichnis
Bibliografische Angaben
Service
VLB-TIX
Umschlag / Cover (Web)Umschlag / Cover (Print)Leseprobe
Produktsicherheit

Personen für Auf Moränen

Christian Lehnert, geboren 1969 in Dresden, ist Dichter und Theologe. Er leitet das Liturgiewissenschaftliche Institut an der Universität Leipzig. Seit mehr als 25 Jahren erscheinen im Suhrkamp Verlag Gedichtbücher und Prosabände, für die er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, zuletzt mit dem Deutschen Preis für Nature Writing (2018).

Christian Lehnert, geboren 1969 in Dresden, ist Dichter und Theologe. Er leitet das Liturgiewissenschaftliche Institut an der Universität...


STIMMEN

»Richtig gute Lyriker gibt es höchstens eine Handvoll. Christian Lehnert gehört auf jeden Fall dazu.«
Hermann Kurzke, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Richtig gute Lyriker gibt es höchstens eine Handvoll. Christian Lehnert gehört auf jeden Fall dazu.«
Hermann Kurzke, Frankfurter Allgemeine Zeitung

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